Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 14. Sitzung / Seite 147

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Je weniger die österreichische Familie für die Ernährung ausgeben muß – im Jahre 1955 war es etwa die Hälfte des Einkommens, die man für Nahrungsmittel ausgeben mußte; letztes Jahr waren es nur noch 16 Prozent –, umso mehr hat sie für andere Wirtschaftsgüter zur Verfügung, und dies bedingt und bringt den allgemeinen Wohlstand.

Die Umstellung des Förderungswesens wurde recht gut bewältigt. Nun geht es darum, dort nachzubessern, wo es noch Härten gibt.

Für gut und notwendig halte ich das Umweltprogramm. Es bringt einen Ausgleich für den Verzicht auf ertragssteigernde Mittel, berücksichtigt aber auch Steilflächenbewirtschaftung und die Almwirtschaft. Dieses Programm soll weiter ausgebaut werden, besonders im Berggebiet, weil es den behutsamen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen, nämlich mit Luft, Wasser und Erde, berücksichtigt und damit ein Programm der nachhaltigen Bewirtschaftung ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Hormoneinsatz als Wachstumsförderer und gentechnische Veränderungen bei der Lebensmittelproduktion sind weiterhin absolut abzulehnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Manche Menschen sind heute der Meinung, man könnte die Nahrungsmittel von den billigen Weltmärkten einführen. Dies könnte man zwar – den Bauern und die bäuerliche Familie aber kann man nicht importieren.

Unlängst war eine Delegation aus Rußland bei uns, hat die landwirtschaftlichen Schulen und die Landwirtschaft besichtigt. Das Endresultat war, daß der Delegationsleiter zu uns gesagt hat: "Hätten wir in Rußland diese Bauern, wir hätten weniger Sorgen. Denn wir haben noch Sorgen um die Ernährung der Bevölkerung – das kennt ihr hier nicht mehr!"

Bauer sein heißt aber nicht nur Lebensmittelproduzent sein, sondern es ist eine gesellschaftlich notwendige und wichtige Lebensform, auf die die Gesamtbevölkerung nicht verzichten kann. In Tirol beispielsweise schützt die Bewirtschaftung der Hochregionen vor Lawinen und Mureneinbrüchen. Der Tourismus wirbt mit der durch die Bauern geschaffene Schönheit der Landschaft. Unser Ziel muß es deshalb sein, die flächendeckende Bewirtschaftung in unserem Land – besonders natürlich im alpinen Raum – zu sichern.

Die bäuerlichen Familien mit ihren Betrieben sind die Garantie für die Bewahrung einer gepflegten und bewirtschafteten Kulturlandschaft in Österreich für die Zukunft. Die Bauernfamilie aber ist mehr: Sie ist ein stabiles Element in der Gesellschaft. Es gibt wenig Scheidungen.

Die durchschnittliche österreichische Familie hat 1,5 Kinder, die Bauernfamilie 2,4 Kinder. Darüber hinaus haben Bauernkinder beste Voraussetzungen, sich zu lebensbejahenden Menschen zu entwickeln. Sie haben genug Raum, um sich entfalten zu können. Sie sehen Vater und Mutter gemeinsam arbeiten. Sie sehen, daß nur derjenige ernten kann, der auch gesät hat. Und die Kinder wachsen oft mit Geschwistern und mehreren Generationen zusammen auf, und sie erleben am Hof noch Geburt und Tod von Mensch und Vieh als etwas Natürliches. – Und wir müssen wieder mehr lernen, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Bäuerinnen sind laut Umfrageergebnissen noch zu 86 Prozent gern Bäuerin – und dies trotz schwerer körperlicher Arbeit und des relativ niedrigen Einkommens –, weil sie nach eigenen Angaben ein erfülltes Leben haben. Unsere Aufgabe ist es nun, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Versprechen, das im Koalitionsübereinkommen klar die Sicherung der bäuerlichen Familienbetriebe festschreibt, auch realisiert wird.

Landwirtschaft ist das vorletzte Kapitel in der Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers. Wenn ich nun mit der Bahn nach Tirol fahre, sehe ich die Bedeutung der Bauern Österreichs ganz anders. Ich denke an den Text Grillparzers, der da heißt:

"... es ist ein gutes Land,

Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde!


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