Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 252

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ein Vertreter einer Regierungspartei wie Herr Staatssekretär Schlögl davon spricht, daß die große Opposition den "kleinen Schlögl" gewissermaßen überfordert mit ihrer Forderung auf Durchführung einer Verwaltungsreform, so mag dies für einen Vertreter einer Regierungspartei eine ungewohnte Bescheidenheit darstellen – ich glaube aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß diese Bescheidenheit, die hier zur Schau gestellt wird, nichts anderes als wohlkalkuliertes Understatement ist. Denn, Herr Staatssekretär, Sie sind im Bundeskanzleramt Staatssekretär und es steht Ihnen dort der gesamte Apparat der Bundesregierung zur Verfügung: vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes bis hin zu den Koordinationskompetenzen des Bundeskanzleramtes, der Zugriff beziehungsweise die Bedienung durch alle Ministerien.

Es ist eine alte Forderung der Freiheitlichen Partei – ich möchte sie an dieser Stelle erneuern; und echter Parlamentarismus kann in Wahrheit nur dann stattfinden –, daß die Opposition beziehungsweise das gesamte Hohe Haus, alle Abgeordneten einen Legislativdienst hier im Parlament zur Verfügung haben, der der Beamtenschar legistisch Paroli bieten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nie zuvor in der Geschichte des Hohen Hauses ist derart evident geworden, zu welcher Farce der Parlamentarismus verkommen kann, als eben jetzt, da man zwei Budgets in einem Husch-Pfusch-Verfahren mit 98 Gesetzen und einer Unzahl von Verfassungsbestimmungen durch die Ausschüsse peitscht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das nichts anderes als eine Farce, es ist das einer pluralistischen Demokratie unwürdig. Wir sind hier durch diese Art der Gesetzwerdung zu einer parlamentarischen Scheindemokratie herabgewürdigt worden.

Hinsichtlich dessen, was sich im Zusammenhang mit den vielfachen Verfassungsänderungen abspielt, kann man wohl nur von einem Verfassungs-Vandalismus sprechen. Es haben prominente Richter der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes davon gesprochen, daß sogar der Verdacht einer Gesamtänderung der Verfassung besteht, da eine Unzahl von einzelnen Gesetzen hier in Verfassungrang gehoben wird, um sie gegenüber der Judikatur der Gerichtshöhe des öffentlichen Rechtes zu immunisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausgabenkürzung im öffentlichen Dienst betrifft bekanntlich auch den Wissenschaftsbereich. Als Maßnahmen in diesem Bereich sind unter anderem eine Senkung der Höhe der Lehrauftragsremunerationen und die Kürzung der Prüfungsentschädigungen vorgesehen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir haben gesehen, wohin diese scheinbar untergeordneten Maßnahmen führen können: zu einer Bestreikung der Universitäten großflächiger Natur in ganz Österreich, zu einer Allianz der Studenten, des akademischen Mittelbaus sowie der Universitätsprofessoren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ein Aspekt ist wirklich in der Diskussion über die Einsparungen im Wissenschaftsbereich eindeutig zu kurz gekommen. Die Universität Wien verkündet, daß die Bestreikung der Hochschulen bis kommenden Montag fortgesetzt wird. Nun haben wir bereits Mitte April – am kommenden Montag geht es schon gegen Ende April, – und es stehen nur mehr sehr wenige Wochen zur Verfügung, um das Semester abzuschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt keine Frage, daß mindestens ein Drittel aller Studenten in Österreich – das sind rund 80 000 – das Semester verlieren wird. Das ist die eigentliche Verantwortung, die ich hier einmahne, auch von Ihnen, Herr Staatssekretär, und natürlich auch vom jetzt nicht anwesenden Wissenschaftsminister, nämlich die Verantwortung, nicht nur durch kurzfristige Liquiditätsmaßnahmen Geld einzusparen beziehungsweise hereinzubringen, wenn diese Maßnahmen zu Lasten der kommenden Generationen gehen. Das ist das Entscheidende.

Bedenken Sie, daß die 80 000 Studenten, die das Semester verlieren, eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit um ein halbes Jahr hinnehmen müssen. Was bedeutet das? – Das bedeutet, daß 80 000 Studenten eine Einbuße des späteren Bruttoinlandsproduktes im Ausmaß von sage


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite