Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 364

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Und daher muß ich Sie jetzt schon fragen, Herr Minister: Ist das wirklich die Philosophie der Koalition? Ist das die Philosophie der Koalition, daß man Nullohnrunden macht, daß man Überstundenzuschläge streicht, daß man Realeinkommensverzicht verordnet, daß man Lehrlingsentschädigungen einfrieren will, anstatt eine neue positive Wirtschaftsgesinnung zu fördern? Ja wer hindert Sie denn, neue Rahmenbedingungen zu setzen? (Abg. Dr. Stummvoll: So demagogisch!) Herr Kollege, demagogisch ist derjenige, der etwa im "Wirtschaftsblatt" etwas anderes ankündigt als das, worüber er da abstimmt. Und das sind Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Sie kündigten zum Beispiel im "Wirtschaftsblatt" vor 14 Tagen an – ich habe mir das sehr gut gemerkt –: Stummvoll für neue Rahmenbedingungen in der Wirtschaft. Die BÜRGES-Aktion muß ausgebaut werden. – Sie ist 1995 fast weggestorben. (Abg. Haigermoser: Halbiert, hat er gesagt!) Halbiert in den Mitteln. Ja, so schaut das aus! Und Sie stimmen aber da dieser Halbierung zu!

Der Herr Stummvoll sagt: Wir brauchen ein eigenkapitalfreundliches Steuersystem. Die nichtentnommenen Gewinne müssen begünstigt werden. – Na, was machen Sie denn da? Sie demontieren die Verlustvortragsmöglichkeiten für die heimische Wirtschaft. Das bißchen, was heute noch an Möglichkeiten der Gestaltung vorhanden gewesen ist, demontieren Sie mit Ihrer Stimme und reden draußen ganz anders. – Das ist Demagogie, Herr Kollege Stummvoll, die wir Ihnen vorhalten wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.Abg. Mag. Stadler: Populist Stummvoll!)

Daher kämpfen wir auch wirklich für die Situation der Lehrlinge. Natürlich haben sich die Lehrlingschancen drastisch verringert. Seit 1990 ist allein in Wien die Anzahl der Lehrplätze um 80 Prozent zurückgegangen. Darüber muß man einmal nachdenken! Sie haben ja die Verantwortung. Der Wirtschaftsminister, der Sozialminister, sie haben die Verantwortung für die Lehrlinge. Sich daran jetzt aufzuhängen und zu sagen, die Lehrlingsentschädigungen seien zu hoch: Ja, bitte, ist es wirklich zu hoch, Herr Kollege Stummvoll, wenn etwa ein Zahntechniker im ersten Lehrjahr 2 080 S brutto – brutto! – an Lehrlingsentschädigung bekommt? (Abg. Dr. Stummvoll: Wo ist das?) Ein Zahntechniker. Oder ein Kosmetiker im ersten Lehrjahr – ich habe mir die Akte aus Ihrer Kammer besorgt –: 2 600 S brutto; ein Kleidermacher: 2 900 S brutto. – Und Herr Stummvoll verlautet dann über die Zeitungen: Na ja, beim Bau haben sie ohnedies 14 000 S oder 15 000 S im dritten Lehrjahr.

Überlegen Sie einmal: Sie als niederösterreichischer Abgeordneter, der Sie aber in Wien wohnen, beziehen 8 000 S Entfernungszulage. Das ist mehr, als mancher Lehrling an Lehrlingsentschädigung hat. Das ist die Situation, die wir nicht akzeptieren können! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Und daher sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Sie dürfen die Lehrlinge mit dieser Strategie nicht zu Menschen zweiter Klasse machen. Sie dürfen die Lehrlinge nicht zu Menschen zweiter Klasse machen! Wir appellieren an Sie, Herr Bundesminister, diesem Unsinn des Reallohnverzichtes – der jetzt auch die Lehrlinge erfassen soll – Einhalt zu gebieten.

Wir gehen davon aus, daß es notwendig sein wird, den Schutz des Mindestlohnes auch für die Lehrlinge entsprechend zu verankern. Wir Freiheitlichen werden dafür heute eine Initiative ergreifen. Und Sie haben die Gelegenheit, deutlich zu machen, daß Ihnen auch die Lehrlingsfragen ernst sind.

Meine Damen und Herren! Es gibt nur eine wirkliche Zukunftschance, die man aufbauen kann, und das ist, den jungen Leuten eine gute Ausbildung mitzugeben. Das, was Sie mit den Lehrlingen in Österreich aufführen, ist nicht die Zukunftsvorsorge, die wir uns vorstellen. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Seit 25 Jahren, Kollege, sitzt ihr in dieser Regierung. Seit 25 Jahren stellt ihr den Sozialminister, seit 25 Jahren den Bundeskanzler. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edler. ) Ich habe Lehrlinge ausgebildet, mein lieber Kollege, zum Unterschied von Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen . – Erneuter Zwischenruf des Abg. Edler. ) Na sicher. Wir haben Facharbeiter ausgebildet. Sehr zum Unterschied von Ihnen, meine Damen und Herren! Das ist ja wohl das "Interessanteste", daß man von einem Sozialdemokraten einen Vorwurf bekommt,


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