Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 382

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Ich meine, in den sozialpolitischen Teilen dieses Gesetzes sind noch viele derartige Irrtümer enthalten, aber es geht nicht nur um die Irrtümer, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sondern es geht auch darum, was Sie beabsichtigen, Herr Kollege Feurstein! Auch darum geht es. Sie beabsichtigen mit dieser Gesetzgebung nicht nur eine Verhinderung des sozialen Mißbrauchs, sondern Sie beabsichtigen auch das, was der Engländer "social punishment", soziale Strafe nennt. Und das ist das Erschreckende und Schlimme an dieser Gesetzgebung, daß in Details Bestimmungen enthalten sind, die ganz eindeutig darauf abzielen. Sie haben noch vor wenigen Jahren, Herr Abgeordneter Feurstein, gesagt – ich kann es Ihnen zitieren –: Vor allem die Frauen, die meist die Kinder erziehen und die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger übernehmen, müßten noch stärker abgesichert werden. Das haben Sie im Jahr 1993 gesagt, Herr Abgeordneter Feurstein! Das Resultat Ihrer Gesetzgebung schaut anders aus, es bewirkt genau das Gegenteil: Die Frauen, die alleinerziehenden Frauen, werden unter bestimmten Vorraussetzungen dafür bestraft, daß sie allein erziehen. Frauen werden dafür bestraft, daß sie in Karenz gehen. Das sind die erschreckenden Resultate Ihrer Gesetzgebung, und ich unterstelle Ihnen, daß das beabsichtigt ist. Ich kann Ihnen das aber auch beweisen. Wenn Sie etwa einer Frau nur deshalb verminderten Karenzurlaub gewähren, weil ihr Mann in Haft ist, dann ist das "social punishment", das ist eine soziale Strafe. Dafür, daß der Mann in Haft ist, bekommt sie einen verminderten Karenzurlaub. Das ist eine Gesetzgebung, die nur Sie in Ihrer Bösartigkeit beabsichtigen konnten, und ich werfe Ihnen das auch vor, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Abgeordneter Feurstein! Sie sagen auch, daß es richtungweisend sei, wenn man die Verfügbarkeit als neues Kriterium im Arbeitslosenversicherungsgesetz einführt. Herr Abgeordneter Feurstein! Ich nehme an, Sie wissen, was Sie meinen. Ich nehme an, Sie wissen, daß dadurch Frauen, die Erziehungspflichten haben, vom Bezug des Arbeitslosengeldes ausgeschlossen werden, und sie werden deswegen ausgeschlossen, weil sie Erziehungspflichten haben. Das ist Bösartigkeit, das ist "social punishment", Herr Abgeordneter Feurstein! Das hat nichts mehr mit Sozialgesetzgebung zu tun. Sie betrachten das aber als richtungweisend, und das ist der Vorwurf, den ich Ihnen mache.

Wenn der Satz des Taschengeldes für Pflegebedürftige in Heimen halbiert wird, obwohl dieser ohnehin schon niedrig, extrem niedrig ist, dann ist das "social punishment". Es ist dies ein Bestrafen bestimmter Gruppen für die Tatsache, daß sie anders sind, daß sie in bestimmten Lebensumständen, in bestimmten Risikolagen leben müssen – als nichts anderes kann man das bezeichnen.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie beispielsweise im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes die Notstandshilfe deswegen reduzieren, weil jemand noch nicht so lange gearbeitet hat, allerdings schon die Ansprüche für den Bezug der Notstandshilfe erfüllt, wenn Sie sie also deswegen reduzieren, weil er nur wenige Jahre gearbeitet hat und noch nicht 20 oder 30 Jahre lang beschäftigt war, weil er eben jung ist, so ist das eine Bestrafung aufgrund des biographischen Faktums, daß jemand in jungen Jahren arbeitslos geworden ist. Sie strafen die Menschen damit, indem Sie ihnen ein geringeres Arbeitslosengeld oder eine geringere Notstandshilfe auszahlen. Das ist "social punishment", und diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, daß Sie bestimmte Gruppen dafür bestrafen wollen, daß sie eben anders sind als andere Gruppen. Diesem Vorwurf müssen Sie sich aussetzen, weil er Bestandteil dieser Gesetzgebung ist, die Sie betreiben.

Es gäbe noch vieles zum "social punishment" zu sagen. Man wird für die Tatsache, daß man nicht so ist wie die anderen, bestraft. Sie haben auch die Rahmenfristerstreckung auf drei Jahre verkürzt und damit ganz bestimmte Gruppen, beispielsweise Frauen, die in Karenzurlaub gehen, die eine längere Ausbildung haben, Personen, die längere Ausbildungslehrgänge machen, vom Bezug des Arbeitslosengeldes ausgeschlossen. Sie kennen den Brief des Herrn Küberl von der Caritas, der Sie darum bittet, das rückgängig zu machen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie machen das nicht rückgängig, nehme ich an. Ich habe noch keinen diesbezüglichen Abänderungsantrag Ihrerseits gesehen. Das ist eine ganz bösartige Gesetzgebung, die Sie in Einzelfällen betreiben, mit der – derzeit noch nicht sichtbar – ganz bestimmte Gruppen bestraft werden. Es gäbe aber noch einiges dazu zu sagen.


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