Es wird hier eine Art von Gesetzgebung betrieben, von Ihnen vorwärts getrieben, bei der Ihnen selbst noch nicht klar ist, wohin sie geht. Daß sie in die falsche Richtung geht, das kann ich Ihnen mit Garantie sagen. Es sind Bösartigkeiten in dieser Gesetzgebung enthalten, die in ihrer Dimension noch nicht erkannt worden sind, weil die Personen, die es betreffen wird, jetzt noch nicht davon betroffen sind. Erst nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten ist, werden sich diese Personengruppen zur Wehr setzen. Es wird dann wieder das große Schulterzucken ausbrechen, und vielleicht werden wir dann beim nächsten Strukturanpassungsgesetz statt 98 Gesetzesänderungen 150 oder 200 Gesetzesänderungen haben, und ein Teil davon wird sich damit beschäftigen, die schlimmsten Schlechtigkeiten dieses Gesetzes zu reparieren, aber das wird auch schon alles sein.
Es steckt kein Konzept hinter Ihrer sozialpolitischen Gesetzgebung – außer, was ich Ihnen schon gesagt habe: Verhinderung des Sozialmißbrauchs und soziale Strafen. Das ist das Konzept, das Sie derzeit gegenüber bestimmten Gruppen vertreten. Herr Abgeordneter Feurstein! Sie haben ja den Mund sehr vollgenommen gegenüber den alleinerziehenden Frauen. Sie haben nämlich folgenden Satz in einer Debatte eingebracht: Ich stehe dafür, daß diesen Personengruppen besonders geholfen wird. Ich kann gerade Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie genau bei diesen Gruppen offensichtlich nicht imstande und willens waren, das tatsächlich durchzuführen und zu erreichen, was Sie versprochen haben. Das Gegenteil machen Sie! Und es ist ja unbestrittener Bestandteil der öffentlichen Diskussion über die Sozialgesetzgebung, daß Frauen – vor allem alleinerziehende Frauen – in besonderem Maße betroffen sind.
Ich komme nun zu einem Punkt, der im Zusammenhang mit dieser Gesetzgebung nicht unwichtig ist: Das ist die Lesbarkeit, die Durchschaubarkeit dieser Gesetzgebung. Ich habe die 98 Gesetzesänderungen schon erwähnt. Und angesichts dessen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sprechen Sie davon, daß wir in dieser Gesetzgebungsperiode das große Projekt der Neuformulierung von Gesetzen und der Redimensionierung unserer Gesetzeswerke in Angriff nehmen wollen! Sie beginnen also dieses große Vorhaben der Redimensionierung der Gesetzesflut, der Überschaubarmachung der Gesetze damit, daß Sie dieses Gesetzeskonvolut, bestehend aus 98 Teiländerungen, vorlegen. Ist das der Beginn dieses Reformprojekts, das Sie beabsichtigen?
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt: In Österreich haben wir ein allgemeines Sozialversicherungsgesetz, das seit 1955 52 offizielle Novellierungen hinter sich hat. – Herr Minister! Sie wissen das. Insgesamt sind es über 110, wenn man die nicht gezählten dazurechnet. In der Schweiz gibt es ein vergleichbares Gesetz, die Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die zwar nicht denselben Bereich regelt, das gebe ich zu, aber ähnliche Bereiche. Diese gibt es seit den dreißiger Jahren, und das ist im Laufe der Jahre zum zehnten Mal novelliert worden.
Ich bin ein aufmerksamer Leser Schweizer Tageszeitungen, und ich kann Ihnen sagen: Diese Novellierung, die zehnte AHV-Reform, ist in der Schweiz zwei bis drei Jahre lang gründlich in der Öffentlichkeit, in den Zeitungen Tag für Tag diskutiert und debattiert worden. Daher sitzt das Gesetz auch, das Gesetz hält für mehrere Jahre, und die Öffentlichkeit weiß, womit sie es zu tun hat. – Das Problem aber, das wir hier haben, ist nicht nur, daß die Öffentlichkeit nicht weiß, womit sie es zu tun hat, sondern daß auch wir Parlamentarier das nicht wissen, sonst müßten ja keine Abänderungsanträge eingebracht werden. Zuerst wird in einem Ausschuß beschlossen, wir machen diese Änderung, und dann wird hier im Plenum kleinlaut zugegeben: Wir müssen leider das, was wir im Ausschuß beschlossen haben, korrigieren, sonst würde es zu einer Katastrophe kommen. Das ist der Stand der österreichischen Gesetzgebung. Sie und wir alle – ich nehme mich da nicht aus – wissen nicht, was hier beschlossen wird. Nur: Ich ziehe die Konsequenz daraus und beschließe es nicht, mache diesen Zirkus nicht mit, dem Sie sich aber für ein angeblich höheres Interesse, nämlich der Budgetsanierung, unterordnen.
Ich sage Ihnen folgendes – und dazu gibt es auch jede Menge an öffentlicher Debatten –: Den Konservativen ist es im Zusammenhang mit einer Budgetsanierung gelungen, den Sozialstaat zu ruinieren; nicht aber, die Staatsquote zu senken. Das haben sie in all den Ländern, in denen die Konservativen die Sozialpolitik in Angriff genommen haben – egal, ob es die USA sind, ob es