Trotzdem sollten wir die Augen nicht vor Weichenstellungen verschließen, die vor uns liegen. Wir haben – und das soll man ehrlich sagen – heuer einen Finanzierungsengpaß von etwa 4 Milliarden Schilling, und, wenn nichts geschieht, werden es nächstes Jahr 6 Milliarden Schilling sein. Das steigt dann kontinuierlich auf 10 Milliarden Schilling.
Was können wir dagegen tun? – Erstens können wir natürlich sparen, sparen und noch einmal sparen, aber sparen hat dort seine Grenzen, wo das für den einzelnen notwendige Leistungsniveau merkbar gesenkt wird. Dem würde ich nicht das Wort reden.
Zweitens: Kürzung von Leistungen. Ich glaube, beim derzeit stattfindenden Kürzen muß man sich ganz genau überlegen, ob man das wirklich will. Zum Beispiel die Ausweitung dieser diversen Chefarztpflichten – ich sage, das sind eher Kontrollarztpflichten –: Wen trifft das? Das trifft vor allem ältere Leute, Leute, die nicht mobil sind, Behinderte und meistens Schwerstkranke. Ich glaube, es ist nicht fair, wenn man sagt: Du kannst alles haben, aber es ist immer eine Bewilligung notwendig!, denn gemeint ist eigentlich: Zahl dir’s selber! Ich glaube, das ist nicht sinnvoll. In dem einen oder anderen Fall sehr wohl, aber ich glaube, im Moment wird etwas überzogen, wenn ich zum Beispiel an die Behinderungen bei der Physiotherapie von Wirbelsäulenerkrankungen denke, obwohl das doch die Hauptinvaliditätsursache ist.
Drittens: Streichen von Leistungen – darunter fallen zum Beispiel auch Betteinlagen für Epileptiker, für Leute, die den Harn nicht mehr halten können –, das halte ich eigentlich für kontraproduktiv, denn diese Leute werden dann erst recht ins Spital eingewiesen.
Der vierte Punkt, der möglich ist, um diese Lücke zu decken, ist die berühmte neue Mittelaufbringung. Alle ÖVP-Vorschläge in Richtung Selbstbehalt wurden ja abgelehnt. Die Vorschläge, die ich jetzt vom Ministerium höre, die Selbstbehalte bei den Medikamenten zu erhöhen, wären theoretisch umsetzbar, nur: Der Weg, den Sie vorsehen, wird, glaube ich, ein Eigentor werden, und zwar eines gegen die Kranken. Denn wenn Sie die Medikamentengebühr mit 20, 40, 60 S staffeln, wen treffen Sie mit den 60 S? – Damit treffen Sie nicht den, der gelegentlich ein Medikament nimmt, sondern den, der chronisch krank ist und der besonders viele Medikamente braucht. Ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen: Es gibt Menschen, die sich diese Selbstbehalte, wenn sie sechs, sieben Medikamente brauchen und eine Mindestpension haben, nicht leisten können.
Eine andere Form wäre der Einsatz von Steuermitteln. Ich glaube, wir werden in Zukunft diskutieren müssen, ob es wirklich ein Dogma sein muß, daß alles über Beiträge zu finanzieren ist. Deutschland, Frankreich und Österreich sind die einzigen drei Länder, die mehrheitlich alles über Beiträge finanzieren. Es steht nirgendwo geschrieben, es ist nirgendwo in Stein gehauen, daß man nicht Steuermittel dafür nehmen kann. Warum nehmen wir 15 Milliarden Schilling aus der Tabaksteuer ein und haben durch das Rauchen verursachte Folgekosten im Gesundheitsbereich von – vorsichtig geschätzt – etwa 30 Milliarden Schilling? Dieses Beispiel könnte ich weiterspinnen: Alkohol, Fahren und so weiter.
Ich komme schon zum Schluß meiner Ausführungen. Das Rationieren in der Medizin ist weltweit ein Thema und wird von Medizinethikern unterschiedlich beurteilt. Weltweit wird gesagt, die Überalterung der Bevölkerung könne nicht mehr finanziert werden. Wir sind da eine Insel der Seligen, und wir müssen höllisch aufpassen, damit wir das auch bleiben können, denn jedes Rationieren bedeutet, daß einige sich das sicher am privaten Markt dazukaufen können, andere aber eben nicht zukaufen können. Ich weiß aus Erfahrung, wovon ich da rede. Wenn ein Angebot überhaupt nicht gemacht wird, heißt das auch: Wartelisten, Wartelisten. Wenn Sie auf einer Warteliste sind, wenn ein Angehöriger auf einer Warteliste ist und dann stirbt, ist das eine bittere Sache.
Deshalb wäre es wichtig, Mut zur Wahrheit zu haben! Haben wir Mut zu der Wahrheit, daß wir ein sehr gutes System haben, daß wir aber an einer Wegkreuzung stehen und zu entscheiden haben: Welche Leistungen wollen wir? Und wie wollen wir sie finanzieren? Die ÖVP tritt ein für eine hochqualifizierte Medizin, für eine Medizin für alle – für alle, bitte! –, für eine Medizin zu akzeptablen Preisen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
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