negativer Höhepunkt der Verwahrlosung der Gesetzgebungskultur gegeben ist, sondern daß sich auch das Höchstgericht, nämlich der Verfassungsgerichtshof, über die Art des "Regierungsgesetzgebers" sehr unzufrieden äußert. Wir sind doch nicht mehr die Gesetzgeber – dieses Parlament hat nicht einmal einen legistischen Apparat –, sondern wir sind die Marionetten einer immer mächtiger werdenden Regierungsgesetzgebung in diesem Land, die sich aussucht, was sie dem Parlament sozusagen zum Fraße vorwirft und was nicht.
Wie diese Gesetzgebung dann ausschaut, das sieht man auch anhand der Entscheidungen der Höchstgerichte, die sagen, die Gesetzgebung ist so schlampig und so unausgegoren, daß sie dem normalen Bürger nicht mehr verständlich ist. Ich zitiere den Verfassungsgerichtshof zu einem Gesetz, das er begutachtet hat: "Diesem Erfordernis eines klaren, bürgernahen Verständnisses entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigungen und Erfahrungen sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben notwendig sind."
Das heißt, der Verfassungsgerichtshof sagt selbst: Gesetzgeber, was mutest du dem Bürger zu? Der Bürger muß eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben haben, damit er dahinterkommt, was in diesen komplizierten Gesetzen, in diesen verwirrenden Materien, die wir ihm servieren, drinsteht.
Deshalb muß es vorrangiges Ziel einer grundlegenden Erneuerung der Verfassungsinstitutionen dieses Staates sein, diese Regierungsgesetzgebung zu beenden, dem Parlament einen legistischen Apparat zu geben und die Abgeordneten wieder in die Lage zu versetzen, selbst Gesetze zu machen, die erprobt, praxisnah und auch durchführbar sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Dieser schlampige Umgang mit dem Rechtsstaat führt dazu, daß dann, wenn man mit den Gesetzen nicht mehr zu Rande kommt, schnell eine Verfassungsbestimmung beschlossen wird, damit – so wie jetzt beim Strukturanpassungsgesetz 1996 – der Verfassungsgerichtshof und die Höchstgerichte ausgeschaltet werden. Was ist das für ein rechtsstaatliches Verständnis, meine Damen und Herren, wenn die Regierung dem Rechtsschutz suchenden Bürger den Weg zum Höchstgericht dadurch verschließt, daß diese Bestimmungen in Verfassungsrang erhoben werden? – Man sagt ganz einfach: Wir wollen nicht, daß beim Höchstgericht darüber nachgedacht wird, ob Steuergesetze rückwirkend beschlossen werden dürfen oder nicht und was das für den Bürger bedeutet. Es soll auch nicht ein Familienvater, der sich über eine ungerechte Familienbesteuerung beklagt, zum Höchstgericht gehen und diese zu Fall bringen können.
Was ist das für ein Verständnis vom Rechtsstaat, wenn diese Unkultur, wie sie jetzt eingerissen ist, weiter fortschreitet? – Meine Damen und Herren! Das ist der Weg in eine Parlamentsjustiz, die bereits eine gefährliche Dimension angenommen hat. Da kann man sich nicht hinsetzen, wie es der Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion getan hat, und sagen: Das Ganze gefällt mir zwar nicht, aber einmal hält man das schon aus. – Herr Kollege Kostelka! Was sind Sie für ein Verfassungsjurist? Sie sind selbst ausgebildet in diesem Fach. Das hält man nicht einmal aus. Der Umgang mit der Verfassung ist etwas Sensibles, Sie treten sie mit Füßen, lachen dazu und sagen, einmal hält man es schon aus, daß man die Verfassung strapaziert und den Bürgern den Rechtsschutz abschneidet.
Sonst treten Sie immer für die Menschenrechte ein, sonst treten Sie für Gott und die Welt ein und meinen, daß diese die Grundrechte haben sollen. Aber wenn es um den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der eigenen Bürger in dieser Republik geht, dann fahren Sie drüber, wenn es im Regierungsinteresse ist, daß es ärger nicht mehr gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Nicht zuletzt hat einer, der Ihnen sehr verbündet ist, nämlich Herr Rauscher vom "Kurier", der nichts lieber sähe als eine pragmatisierte große Koalition bis zum Jahr 3047, gemeint: "Aus solchen Vorfällen erkennt man, wie wenig das rechtsstaatliche und demokratische Denken noch bei unseren Eliten im Staat verankert ist." – Da ist ihm wirklich zuzustimmen. Es ist eine Frage