Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 37

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

applaudieren (Abg. Dr. Haider: In Ihrem Haß!), was sicher für eine Oppositionelle unüblich ist –wobei ich weiß, daß einige Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion das auch getan haben –, und zwar dann zu applaudieren, als er hier herausgekommen ist und gesagt hat, er beziehungsweise seine Fraktion würden das Parlament vor der Zerstörung durch solche Mitglieder verteidigen. Ich habe dazu geklatscht, weil es mir ein Anliegen war, deutlich zu machen, was hier wirklich vorgeht. Aber ich war mir während des Klatschens schon bewußt, wie zwiespältig das eigentlich ist, wie unbeleuchtet die Kehrseite der Medaille ist, deren Vorderseite der Abgeordnete Nowotny hier beleuchtet hat. Denn: Wie sieht denn die Verteidigung des Parlaments, von der er gesprochen hat, seitens der Sozialdemokraten aus? Sieht sie so aus, daß man es für richtig hält, das Parlament auf eine Notariatsfunktion zu reduzieren? Sieht sie so aus, wenn es eben ein Spannungsverhältnis und damit einen Konflikt zwischen der Regierung auf der einen und Parlamentariern auf der anderen Seite gibt, daß sich der Parlamentarier auf die Seite der Regierung stellt, gegen das Parlament? Sieht die Verteidigung des Parlaments so aus, daß, wenn es einen Konflikt zwischen freiem Mandat und Fraktion gibt, daß er sich auf die Seite der "Fraktion des Parteidenkens" stellt? Sieht sie so aus, daß es die Abgeordneten dieser Fraktion für normal halten, sich vom Regierungschef oder vom Vizekanzler vorschreiben zu lassen, wann was wie in diesem Parlament beschlossen wird? Sieht sie so aus, daß man das Prinzip des koalitionsfreien Raumes an sich als ein untaugliches Instrument für das Parlament ansieht? – Das kann doch nicht wirklich ernstgemeint sein, daß das die Verteidigung des Parlamentarismus ist!

Aber obwohl ich mich jetzt nur auf den Abgeordneten Nowotny berufen habe, ist es doch bei der ÖVP nicht anders. Sieht die Verteidigung des Parlamentarismus etwa so aus, daß man den Begriff des koalitionsfreien Raumes, das heißt eines ganz wichtigen Prinzips für ein Parlament nicht anders nützt als als Deckmantel für den Wechsel in eine andere Koalition, und zwar mit strengem Klubzwang, wie das vor wenigen Monaten in diesem Parlament passiert ist? Sieht sie so aus, daß man über die Zeitungen davon spricht, wie das der Herr Abgeordnete Khol getan hat, daß man sich ein kreatives Parlament nicht nur wünschen, sondern es auch befürworten und anregen würde, zugleich aber sagt, daß oppositionelle Anträge keine Mehrheit finden werden, ohne daß man sie überhaupt kennt, ohne daß man überhaupt weiß, welche gestellt werden? Sieht sie so aus, daß der Herr Abgeordnete Khol auch über die Medien, im Fernsehen, dann sagt: Es steht uns zu, daß wir unsere Zweidrittelmehrheit einsetzen!, und zwar unabhängig davon, welche Verfassungskultur damit verbunden ist? Daß Sie Ihre Mehrheit einsetzen können, das steht ja wohl außer Frage. Aber in dieser Situation die Machtdemonstration zu artikulieren – nach dem Motto: Wir haben jetzt wieder die Zweidrittelmehrheit und daher werden wir sie dort einsetzen, wo wir uns der Überprüfung des Verfassungsgerichtshofes entziehen wollen! – ist das Ihre beider Verteidigung des Parlaments gegen die Freiheitliche Partei, von der ich auch glaube, daß sie es kaputtmachen will?

Sie bringen daher andere Oppositionsparteien und andere Kritiker in eine Situation, in der man gar nicht mehr in der Lage sein kann, die Diskussion wirklich sachgerecht zu führen, wenn man sich auf einmal in der Schere befindet, auf der einen Seite jemandem applaudieren zu müssen, weil er sich dagegen verwahrt, aber genau weiß, daß die moralische Berechtigung dazu genauso wenig – das Wort "genauso wenig" korrigiere ich – auch nicht da ist. Das macht die Schwierigkeit der Diskussion aus. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich halte es deswegen für so notwendig, darüber nachzudenken, weil gerade eine Grundsatzdebatte über ein Budget, noch dazu wenn es um Budgets für zwei Jahre geht, es für einen politisch agierenden Menschen notwendig macht, darüber nachzudenken, in welche Richtung sich diese Demokratie entwickelt. In welche Richtung entwickelt sich dieses Parlament? In welche Richtung entwickelt sich überhaupt dieses Österreich als Teil eines gemeinsamen Europa? – Darüber nachzudenken halte ich für wichtig, weil daraus Konsequenzen gezogen werden müssen; daher ist auch die Wachheit und Aufmerksamkeit, die Anzeichen für bestimmte Richtungen zu erkennen, wichtig.

Zur Demokratie gehört als wesentlicher Bestandteil die politische Kultur. Ich habe bereits Aspekte dieser politischen Kultur angesprochen. Dazu gehören auch Überlegungen wie: Wie geht man mit anderen Meinungen um?, Wie geht man mit Minderheiten um?, Wie geht man mit


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite