liegt also kein bloß partielles Unterlassen, sondern eine gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers vor. – Zitatende.
Man muß sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof stellt in Kenntnis des Straßburger Urteils aus dem Jahre 1993 fest, daß ein Beschwerdeführer aufgrund dieses Urteils aus formal-juristischen Gründen nicht in der Lage ist, seine in der Europäischen Menschenrechtskonvention begründeten Rechte voll auszuüben, weil der Gesetzgeber – und das sind wir, meine sehr geehrten Damen und Herren – in Österreich untätig ist, und zwar gänzlich. (Abg. Haigermoser: Die Koalition, nicht wir!) Die Koalitionsabgeordneten sind es vor allem, weil man sich ununterbrochen auf die Vorlagen der Regierung in diesem medienpolitischen Bereich verläßt.
Das heißt aber insgesamt: Wenn ein österreichischer Staatsbürger seine in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebenen Rechte in Anspruch nehmen will, muß er zumindest in medienpolitischen Fragen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen. Das bedeutet zwei Jahre Verfahrensdauer, das bedeutet Kosten von mehr als 1 Million Schilling. Und selbst wenn er dort dann sein Menschenrecht zugesprochen bekommen sollte, heißt das noch lange nicht, daß er dann in Österreich beispielsweise terrestrisches Privatfernsehen betreiben darf.
Denn selbst nach einem derartigen Urteil ist drei Jahre später nicht einmal rudimentär erkennbar, wie dieses Urteil in österreichisches Recht transformiert werden soll. Und der Gesetzgeber ist, wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, gänzlich untätig. Es ist ihm auf gut deutsch gesagt egal, was in Straßburg entschieden wurde. Es ist ihm völlig egal, daß in Österreich im Bereich der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen wurde.
Weniger untätig ist er hingegen, wenn es darum geht, Beschränkungen und Restriktionen unter dem Deckmantel der Liberalisierung einzuführen, wie dies das Regionalradiogesetz zeigt. Es ist dies eine besondere Peinlichkeit, die dieser Bundesregierung und auch diesem Haus passiert ist. Dazu gäbe es sehr vieles zu sagen, aber ich glaube, wir haben noch im Laufe der Behandlung der Reparatur hier im Parlament Gelegenheit, uns ausführlich über diese Dinge zu unterhalten.
Daß bei einer derartigen Geisteshaltung das Steuerungsinstrument Presseförderung in diesem Land nicht in Frage gestellt werden darf, das liegt auf der Hand.
Das ist, glaube ich, die dritte Säule der österreichischen Medienpolitik dieser Bundesregierung, nämlich der Versuch, durch planwirtschaftliche Maßnahmen möglichst große Teile der österreichischen Medienlandschaft direkt oder indirekt unter Kontrolle zu bringen.
Für den Printmediensektor sind allein für 1996 wieder 270 Millionen Schilling an Presseförderung vorgesehen, und das ausschließlich auf Bundesebene. Die Presseförderungen auf Landesebene sind in dieser immensen Summe noch gar nicht berücksichtigt. Wie Beispiele zeigen, wird mit diesen Förderungen eigenartig umgegangen. So zum Beispiel wird der "Standard" gefördert, und man sieht, daß die Förderung wahrscheinlich dazu verwendet wird, jeden Sonntag 75 000 Exemplare zu verschenken, während andere – an der Grenze des Zusperrens werkende – Zeitungen und Zeitschriften nicht unterstützt werden. Erfolgreiche Printprodukte werden durch Anzeigen und die Ankündigungsabgabe bestraft, nur weil man sich einbildet, eine Umwertung durchführen zu müssen.
Es treibt herrliche Blüten – ich bleibe bei dem von mir aufgezeigten Beispiel des "Standard" –: Eine pressegeförderte Zeitung bringt jeden Sonntag 75 000 Exemplare zur Verschenkung, während andere, wie die "Salzburger Nachrichten", zu erfolgreich sind und wegen ein paar 100 000 S mehr an Inserateneinnahmen die Förderung in Millionenhöhe dann nicht mehr bekommen.
In Vorarlberg spielt es sich auch sehr lustig ab. Herr Ruß, Herausgeber der "Vorarlberger Nachrichten", betreibt ein sehr erfolgreiches Blatt, das aufgrund des hohen Anzeigenaufkom