Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 88

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Zu den Kurden: Ich habe Klubobmann Khol in seinem Anspruch auf den Rechtsstaat ausdrücklich recht gegeben, dennoch ist das allein leider keine Hilfe, damit auszukommen: Wenn wir einen Befund haben, der von meinem Kollegen Gaál schon erwähnt wurde, daß wir tatsächlich relativ befriedete Verhältnisse auf dieser Ebene haben, so müssen wir uns überlegen: Ist das mit unserem heutigen Zugang zu solchen Problemen noch vereinbar, ja oder nein, denn wir zahlen schließlich einen Preis dafür. Wir zahlen den Preis der Relativierung des Rechtsstaates dafür, und das kann im entscheidenden Moment ein zu hoher Preis sein.

Das war in den siebziger Jahren vielleicht noch anders, und in den siebziger Jahren hatte ja aus geopolitischer Sicht Österreich und die Neutralität unserer Republik einen ganz anderen Stellenwert als heute. Wir waren nicht Mitglied der EU, es gab kein Schengener Übereinkommen, es gab keine offenen Grenzen zu unseren östlichen Nachbarn. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied, das muß man einmal beachten. Außerdem leben wir hier und heute, wir sind heute verantwortlich und können uns nicht auf eine Politik berufen, die in den siebziger Jahren gemacht wurde, und zwar auch nur mit relativem und teilweisem Erfolg, wie wir wissen, denn es hat natürlich trotzdem PLO-Anschläge gegeben.

Daher wäre es erörterungswürdig, ob man diesen Preis zu zahlen bereit ist. Ob man den Preis zu zahlen bereit ist, rechtsstaatlich die Augen sozusagen leicht zu schließen oder vielleicht nur durch die halbgeschlossenen Augenlider das Problem zu betrachten, oder ob wir nicht sagen müssen, wenn es hier Organisationen gibt, die sich eindeutig außerhalb der Friedensordnung aufhalten, dann können wir sie nicht so ohne weiteres als solche tolerieren.

Wir haben dabei natürlich deutlich zu unterscheiden zwischen den einzelnen Flüchtlingen, um die es sich im Regelfall handelt. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß es ein Kurdenproblem in der Türkei gibt und daß dort Menschenrechte verletzt werden, daß dort Menschen ermordet werden, verfolgt werden, zwangsnationalisiert werden. Das ist ein Faktum. Das bedeutet aber noch nicht, daß wir die Organisationsformen, die sie wählen, einfach unüberprüft anerkennen.

Ich glaube, es handelt sich de facto um einen Schwebezustand, in dem wir uns befinden, denn soweit auch meine Recherchen das herausbringen konnten, gibt es keine förmlich zugelassene Organisation der Kurden in diesem Land. Es gibt aber Menschen, die unter solchen Namen auftreten.

Diesbezüglich, würde ich meinen, ist die heutige Anfragedebatte auch nicht geeignet, das wirklich erschöpfend zu behandeln und zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen, weil wir da keine Beschlüsse fassen können. Aber das gehört auf den Tisch. Das gehört auf den Tisch des Außenpolitischen Ausschusses, das gehört auf den Tisch des Justizausschusses, und das gehört natürlich auf den Tisch des Innenausschusses. Insofern bin ich froh, daß wir das einmal ausdrücklich einfordern können, denn nur weil der österreichische Oberste Gerichtshof in einem Urteil erkannt hat, daß die PKK und ihre sonstigen Umfeldorganisationen verbrecherische Organisationen seien, ist das Problem noch lange nicht gelöst.

Erstens ist der Oberste Gerichtshof in diesen Urteilen nicht mit Drittwirkung ausgestattet.

Zweitens trifft er damit keine einzige Aussage über die Kurden, die in diesem Land leben. Es hat sich ausschließlich um ein Verfahren gegen ganz bestimmte Personen gehandelt.

Und damit Sie vielleicht die Analogie besser verstehen: Spätestens seit Nürnberg wissen wir, daß die SS eine verbrecherische Organisation ist. Trotzdem verweigere ich jedem meine Zustimmung, der sagt, bloß weil einer Mitglied bei der SS war, ist er ein Verbrecher. Und genau das würden wir aber machen, wenn wir aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofes zur PKK falsche und zu weitreichende Schlußfolgerungen zögen, denn wir müssen immer unterscheiden zwischen Menschen, die zu uns gekommen sind und sich hier an unsere Rechtsordnung zu halten haben, und einer Organisation, die es im Ausland gibt, die unser Oberster Gerichtshof qualifiziert hat.

In einem Punkt habe ich die Aufregung überhaupt nicht verstanden, nämlich im Punkt der vermeintlichen Weisung des Herrn Innenministers. Ich sage Ihnen, warum: Sie hat nicht gewirkt.


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