Es zeigt sich ja auch in der Regierungserklärung, daß man zwei Seiten, meine Damen und Herren – es gibt vieles in der Regierungserklärung, wichtige Themen, die mit einer halben Seite abgetan wurden –, braucht, um diese Regierung und die schwierigen Koordinationsmechanismen in Sachen Außen- und EU-Politik irgendwie abzusichern. So tief ist das Mißtrauen, und so muß man das austarieren (Abg. Schieder: Darum wollten Sie das dritte Bein!), daß sich zum Beispiel so etwas, Kollege Schieder, in der Regierungserklärung findet, nämlich etwas Selbstverständliches: Grundsätzliche Entscheidungen betreffend die österreichische EU-Politik werden von der Bundesregierung auf gemeinsamen Antrag von Bundeskanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten getroffen. – Zitatende. (Abg. Dr. Fuhrmann: Ist das schlecht?)
Man muß das Verfahren festlegen! Beide müssen den Antrag stellen –, so, als ob das nicht eine Regierung wäre. Eine Regierung macht eine Politik, und in der EU-Politik würden Sie eine gemeinsame Positionierung vornehmen. – Nein, man muß extra hineinschreiben: Einer allein darf nicht!
Weiter findet sich noch so etwas Herrliches wie: Die Weisungen des Fachressorts an die Ständige Vertretung in Brüssel in Routineangelegenheiten ergehen direkt mit Kopie an das Bundesministerium für auswärtigen Angelegenheiten und an das Bundeskanzleramt et cetera. Extra mußte man sozusagen den bürokratischen Weg der Papierln in Routineangelegenheiten regeln. – So tief ist das Mißtrauen zwischen den beiden Exponenten der EU-Politik. Das spricht eine beredte Sprache, und dementsprechend sieht ja auch die konkrete Politik aus. (Abg. Dr. Khol: Nein, nein, so viel Papier gibt es, Herr Kollege Frischenschlager! – Abg. Schieder: Da hat er schon ein bißchen recht! Aber er wollte ja der Dritte sein!)
Herr Bundesminister! Es ist jetzt nicht die Zeit, auf die Position Österreichs in Sachen Regierungskonferenz einzugehen. Ich möchte nur einige wesentliche Dinge ansprechen.
Zunächst einmal scheint mir wichtig zu sein – noch zur praktischen Politik –, daß etwas nicht passiert, nämlich daß Zeitungen mit Recht schreiben können, Österreich hätte ganz konkrete Chancen in der EU vertan.
Es schmerzt mich, wenn die "Presse" von Mitte Dezember 1995 titeln kann: "EU-Bilanz für 1995" – das betrifft die österreichische Bilanz –: "3 Milliarden Schilling verschenkt."
Nicht, daß deshalb die Welt einstürzt, aber diese Fehler leisten der Meinung Vorschub, daß andere, die speziell ihre Börselmentalität mit der EU-Politik verbinden, sagen können: Aufgrund des Versagens dieser Bundesregierung hat Österreich 3 Milliarden Schilling verloren.
Man muß ganz wertfrei und sachlich feststellen: Solche Meldungen sind natürlich eine Katastrophe. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel . ) Nein, das glaube ich nicht, aber dann wäre es wieder ein schönes Beispiel, Herr Bundesminister, weil immerhin Staatssekretär Schlögl wenige Zeit später sagen mußte – wiederum eine Schlagzeile, diesmal aus dem "Standard": "Schlögl: Haben EU-Topf nicht voll ausgeschöpft." (Vizekanzler Dr. Schüssel: Herr Kollege, nicht die Bundesregierung! Das sind Projekte in Wien und in den Regionen!)
Herr Bundesminister! Mein Eindruck ist jedenfalls, daß Chancen nicht genutzt wurden beziehungsweise nicht voll genutzt wurden. Das ist etwas, was Sie nicht so ohneweiters wegschieben können, denn ganz deppert sind die Leute, die das schreiben, nicht.
Zweiter Kritikpunkt: Es ist natürlich schmerzlich, wenn die österreichischen parteipolitischen Praktiken in der Personalpolitik permanent für Schlagzeilen sorgen, die nicht sehr lustig sind, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Leiter der Mission der Kommission hier in Wien, wenn parteipolitische Aspekte bekannt werden, wie ich überhaupt glaube, daß es eine Unsitte ist, österreichische Praktiken – gerade in der Personalpolitik, auch was die sozialpartnerschaftlichen Institutionen betrifft; ich erinnere nur an die gigantische Mission in Brüssel – von Österreich auf die europäische Ebene zu exportieren. Das sind Dinge, die mich entschieden stören.