Seit diesem – damals – beeindruckenden Amtsantritt Ihrerseits läßt sich diagnostizieren, daß Österreich auf dem internationalen Parkett wie auch in den Organen und Institutionen der Europäischen Union mehr oder weniger nicht vertreten ist, auf jeden Fall wenig oder kaum durch Ihre Person vertreten ist, wenig vertreten ist durch eigene Initiativen, eigene Vorschläge zur Außenpolitik und insgesamt – leider! – an Gewicht und an Bedeutung in internationalen Zusammenhängen verloren hat.
Das heißt, eine Position, eine Stellung, die Österreich noch vor längerer Zeit als ein Land innehatte, das immer wieder durch Initiativen, durch vor allem friedenstiftende Initiativen aufhorchen ließ, dieses Ansehen ist uns verlorengegangen.
Es mag sein, daß das in Ihrer vielfachen Belastung als Parteiobmann, als Vizekanzler und als Außenminister liegt, es mag auch sein, daß die Bedeutung österreichischer Außenpolitik – und dem neige ich sehr zu, das so zu interpretieren – für Sie eine andere geworden ist, indem Sie sagen: Österreich ist nun Mitglied in der Europäischen Union, und wir lehnen uns an das an, was die Europäische Union vorgibt, und sind nicht mehr dazu aufgerufen, eigenständige Initiativen vorzulegen!
Aber es gäbe da noch einen anderen und weiteren Bereich als diesen allgemeinen, und zwar geht es um die Bedeutung, die Österreich bei seinen Nachbarländern hat, hier vor allem in den Ländern des früheren Ostens, in Slowenien, in Ungarn, in der Slowakei und in Tschechien. Da geht es vor allem auch – und das ist ein Gebiet, das Ihnen eigentlich naheliegt – um die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit und darüber hinaus auch um die Stellung Österreichs im allgemeinpolitischen Sinn.
Wenn man sich die Daten und den Verlauf seit der Öffnung, seit dem Jahr 1989, anschaut, dann sieht man, daß Österreich verloren hat. Es hat verloren, was den Rang betrifft, und zwar an Wirtschaftsbeziehungen, aber auch bei konkreten Maßnahmen. Es hat aber auch verloren, was seine Bedeutung insgesamt, also den Input betrifft, den österreichische Politik in vielen Fragen, die diese Länder betreffen, einbringt.
Wenn wir noch ein wenig weiter schauen, wenn wir nach Deutschland schauen, so, muß ich sagen, läßt sich die Außenpolitik nur mit den Worten charakterisieren, daß Österreich wieder einmal beginnt, sich immer mehr an die Außenpolitik Deutschlands anzulehnen, wie an den "großen Bruder", und versucht ist, eher den Initiativen der Deutschen Folge zu leisten, statt eigene Akzente zu setzen.
Herr Minister! Sie sind aber auch in den Fragen der Europäischen Union klare Antworten schuldig geblieben. Sie sind eine klare Antwort schuldig geblieben in der Frage der Osterweiterung, denn es kann ja wohl nicht das Rezept sein, für eine Osterweiterung einzutreten – ungeachtet dessen, welche Konsequenzen das innerhalb der Europäischen Union nach sich ziehen würde, welche Fragen das aufwirft, welche Fragen das vor allem auch im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion nach sich zieht, aber auch mit den Fragen der Institutionenreform.
Diese Antworten bleiben Sie schuldig, diese Antworten haben Sie nie gegeben, sondern Sie treten immer nur sehr populistisch für die Osterweiterung ein. Die Antwort darauf, wie diese genau vor sich gehen soll, wie diese dann in den Organen der Europäischen Union vor allem vollzogen werden soll, bleiben Sie schuldig. Und Sie bleiben sie nicht nur Österreich schuldig, sondern Sie bleiben sie auch unseren Nachbarländern gegenüber schuldig, die sehr hohe Erwartungen in uns setzen. Aber Sie sind die Antworten auch bei den Vorstellungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik schuldig geblieben. Sie lehnen sich in diesem Falle – und das ist eben so ein Beispiel dafür – immer wieder an die deutsche Politik an. Sie lehnen sich an das an, was Sie erwarten, was die Europäische Union vorgeben wird. Es gibt wenig beziehungsweise nicht sehr starke, aussagekräftige Positionen Österreichs bei der Regierungskonferenz. Denn die ganze Palette zu eröffnen, wie auf einem Tablett zu präsentieren und zu sagen, es gibt die NATO, die Westeuropäische Union und die OSZE, irgend etwas wird daraus schon werden, man wird sehen, wie diese Gespräche bei der Regierungkonferenz laufen, ist zu wenig.