Ich meine, es würde Österreich gut anstehen, auch in diesem Falle ganz genau eigene Akzente zu setzen und nicht abzuwarten, ob die Europäische Union nun die Zollunion beschließt oder nicht, abzuwarten, ob eine Debatte im Europarat – dort ruht noch immer ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion – geführt wird oder nicht.
Es würde Österreich gut anstehen, in diesem Falle eigene Initiativen zu setzen. Welche meine ich damit? – Genau solche, die mein Vorredner, Kollege Schieder, auch angeschnitten hat. Ich finde es richtig, sich zu bemühen, daß die Türkei in Europa integriert wird. Ich halte nichts davon, dieses Land, gerade dieses Land zu isolieren. Aber wir dürfen für den Fall, daß wir bestimmte Maßnahmen setzen, wenn es um die Aufnahme der Türkei in die Zollunion geht, nämlich wenn wir von der Türkei eine Verfassungsänderung und die Achtung der Menschenrechte fordern, diese Maßnahmen nicht einfach aus den Augen verlieren, nachdem der Beitritt zur Zollunion erfolgt ist.
So kann es nicht sein – da schließe ich mich ganz den Worten meines Vorredners an –, daß wir immer dann, wenn konkrete Fragen anstehen, einen großen Katalog entwerfen, was diese Länder alles tun sollen, um einen Mindeststandard an Demokratie und Menschenrechten einzuhalten, aber das dann, wenn sie dann aufgenommen sind, in welche Organisation auch immer, außer acht lassen und nicht mehr weiter verfolgen.
Tatsache ist, daß sich, seit der Druck Europas weg ist von der Türkei, seit die Türkei in die Zollunion aufgenommen ist, der demokratische Zustand des Landes wieder verschlechtert hat, die Menschenrechte massiv mißachtet und verletzt werden. Sie kennen den berühmtesten Fall, nämlich jenen des Schriftstellers Yasar Kemal, der wieder angeklagt wurde, nachdem er im vorigen Jahr auf Druck der Europäischen Union, unter dem Druck der Verhandlungen über die Zollunion freigesprochen worden war. Er ist nur der prominenteste Fall von Hunderten Menschen und Opfern, die seit dem Beitritt der Türkei zur Zollunion angeklagt sind, Verfahren anhängig haben, in Haft sind und Folterungen ausgesetzt sind.
Ich meine, es ist die Aufgabe auch eines einzelnen Landes wie Österreich, gerade in diesem historischen und kulturellen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, welche Erwartungen wir gegenüber der Türkei damals formuliert haben. Auch als Mitglied der Europäischen Union sollten wir überall dort, wo es uns möglich ist – sei es in der Europäischen Union, sei es im Europarat, sei es in anderen internationalen Gremien und Organen, sei es aber auch als einzelnes Land in bilateralen Beziehungen –, immer wieder darauf verweisen, daß eine Mitgliedschaft, in welcher Organisation auch immer, in welchem Teilbereich auch immer, nicht heißt, daß das ein Freibrief für undemokratische Zustände und für Mißachtung der Menschenrechte ist.
Dasselbe gilt – diesbezüglich kann ich meine Ausführungen kurz halten – für den Bereich Kroatien, dasselbe gilt für die Anerkennung Rest-Jugoslawiens; das hat bereits mein Vorredner ausgeführt.
Was diesen Bereich des für mich dritten Randes Europas, diesen Bereich Ex-Jugoslawien betrifft, möchte ich nur ein Beispiel herausgreifen, das ich auch schon voriges Jahr erwähnt habe, wo ich meine, daß Österreich gerade wieder in diesem historischen und kulturellen Kontext Wesentliches hätte leisten können und auch noch leisten kann, und das ist das Beispiel Mazedonien. Es gibt eine frühere Teilrepublik in Exjugoslawien, ein heute eigenständiges Land, das einen friedlichen Weg genommen hat, das große Bemühungen gesetzt hat in der Frage der Minderheitenpolitik, das sozusagen auf eigenen Wunsch in Begleitung der OSZE, in Begleitung des Europarates versucht hat, mühsame Gespräche aufzunehmen. Es ist klar: Präventive Maßnahmen, politische Maßnahmen sind weitaus mühsamer und langfristiger anzusetzen.
Mazedonien also hat diesen Weg eingeschlagen und versucht, in unzähligen Gesprächen zu einer Verfassung, zu einer Demokratie, sozusagen zu einem politischen Aufbau zu kommen, das es in die Zukunft tragen kann. Ich habe große Hochachtung vor den Bemühungen dieser ehemaligen Teilrepublik, vor allem wenn man sich die Entwicklung in den anderen Teilrepubli