Ich glaube, daß die Schutzmachtrolle in der Zukunft ganz besonders wichtig ist, weil wir aus Vorkommnissen in der jüngsten Vergangenheit erkennen müssen, daß durch die Streitbeilegung vieles nicht erledigt wurde. Vor allem in der Debatte um das Europabüro der Tiroler Handelskammern, die ein gemeinsames Büro für die Zusammenarbeit in Brüssel errichten wollten, wurde aufgezeigt, daß diese Streitbeilegung viel zu früh gekommen ist, um eine tatsächliche Einigung im Sinne der europäischen Idee in Tirol herbeizuführen.
Was die Schutzmachterfüllung durch den Bundesminister betrifft, muß ich sagen, es hat diesbezüglich ein Qualitätsverlust stattgefunden, der für uns spürbar ist. Beim Wechsel von Mock zu Schüssel war es so, daß beide eines gemeinsam hatten: Sie haben beide immer wieder gerne von sich gesagt, Südtirol sei ihnen eine Herzensangelegenheit. Bei Bundesminister Mock konnte man das spüren; bei Bundesminister Schüssel muß ich leider vom Gefühl her erkennen, daß das Ganze weniger eine spürbare Herzensangelegenheit als ein Lippenbekenntnis ist. (Abg. Mag. Stadler: Die Frau Staatssekretärin hat persönliche Gründe, sich für Südtirol einzusetzen! Das ist die bessere Ansprechperson!) – Na ja, das hätten schon mehrere.
Ich glaube, daß die Südtirolpolitik des Bundesministers Schüssel vielmehr auf der römischen Ebene abläuft, daß er viel lieber mit seiner Amtskollegin Agnelli über die Probleme der Südtiroler spricht und viel weniger mit den Südtirolern selbst. Das ist eine "chiantisierte" Südtirolpolitik, wie sie die Südtiroler derzeit absolut nicht brauchen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich glaube, diese "chiantisierte" Südtirolpolitik bedeutet nichts anderes, als daß die Schutzmachtrolle zunehmend dafür geopfert wird, daß man mit Italien einen angenehmen Gesprächspartner auf EU-Ebene hat. Wir stellen auch fest, daß gerade offizielle Stellungnahmen zu Vorkommnissen in Südtirol zu vermissen sind – in einer Zeit, in der das offizielle Italien zum Teil in die Zeit des Kolonialdenkens zurückfällt und sich den Südtirolern gegenüber so verhält, als wären die sechziger Jahre noch nicht vergangen.
Wir erkennen aus den wenigen Beispielen der letzten Zeit auch, daß es noch ein weiter Weg sein wird, bis alle Italiener einsehen, daß eine Italienisierung Südtirols nicht möglich ist. Ich habe ein Beispiel herausgenommen, das zeigt, wie man mit jungen Südtirolern – auch von seiten der Carabinieri – umgeht. Es hat folgenden Vorfall gegeben – und das ist kein Einzelfall –: Ein junger Südtiroler ist ein halbes Jahr nach Ableistung seines Präsenzdienstes, Wehrdienstes, beim Verlassen eines Lokales drei italienischen Carabinieri in Südtirol gegenübergestanden. Es ist zu einer Auseinandersetzung gekommen, und es sind Schimpfworte gefallen. Der Südtiroler wurde zur Ausweisung verpflichtet; es ist dann mit einer Anzeige weitergegangen, und letztlich hat das Ganze mit einem Militärgerichtsverfahren in Verona geendet. Man hat ihm Schmähung der Nation vorgeworfen, und das ist letztlich am Militärgericht in Verona verhandelt worden.
In einem anderen EU-Staat wäre es unmöglich, daß ein Bürger, der sich abfällig über den Staat äußert, letztlich vor dem Militärgericht landet. Ich denke an Österreich: Wenn es in Österreich auch so wäre, daß jeder, der sich abfällig über Politiker, die Regierung oder den Staat äußert, vor Gericht kommt, wäre in Zeiten des Sparpaketes das halbe Land in Gefängnissen oder vor Gericht. Aber in Südtirol ist das nach wie vor gang und gäbe.
Daß mit zweierlei Maß gemessen wird zwischen Italienern und Südtirolern, wie sie sich über den Staat äußern, zeigt die Vorgangsweise von Bossi in der Wahlauseinandersetzung. Ihm steht es frei, 25 Millionen Süditaliener als Parasiten zu beschimpfen und die Loslösung Norditaliens von Zentralitalien zu fordern. Es gibt in weiten Bereichen nicht einmal einen Protest dagegen, geschweige denn, daß man von Schmähung des Staates spricht oder gar gerichtlich gegen ihn vorgeht.
Ich glaube, daß eben weite Teile des offiziellen Italiens den Autonomiestatus, den die Südtiroler derzeit haben, nur als lästigen Zwischenschritt sehen bis zur völligen Einverleibung Südtirols in Italien.
Und wenn man sieht, wie schnell die Richter mit dem Strafgesetzbuch zur Hand sind, dann ist es, glaube ich, höchst an der Zeit, daß sich auch das offizielle Österreich von derartigen Vor