meinen, und so einfach wird das Deregulieren an sich, das einfache Abschaffen verschiedener Behördenverfahren wohl nicht dazu führen, daß plötzlich die sogenannte große Gründerwelle ausbricht, da die Bundesregierung versprochen hat, in den nächsten Jahren in irgendeiner Form 30 000 oder 50 000 neue Unternehmungen zu fördern. Wie das passieren soll und wie die Förderungen aussehen sollen, wurde ja nicht verraten. Jedenfalls wird es meiner Auffassung nach wohl kaum gelingen, eine Stimulanz allein mit dem neuen Zauberwort der umfassenden Deregulierung zu schaffen.
Wir verzeichnen einen rapiden Wandel in der Weltwirtschaft. Wir verzeichnen natürlich die Angst, die reale und berechtigte Angst eines Sozial- und Lohndumpings in den Industrieländern aufgrund dieser enormen Unterschiede der einzelnen Sozialstandards, bei Ländern, wo alle jetzt selbstverständlich am Wettbewerb teilnehmen können. Das ist ja nicht nur eine Folge des EU-Beitritts für Österreich, sondern das hängt natürlich und weit stärker mit dem GATT-Vertrag und der Internationalisierung insgesamt zusammen.
Die logische Konsequenz – wir haben das ja heute im Kapitel Außenpolitik hier mehrfach thematisiert – der Wirtschafts- und Währungsunion ist ja nur eine kleine Facette in diesem Bereich. Verkrustungen und Sozialklimbim, so meinen viele, sollen jetzt abgeschafft werden, ohne zu bedenken und ohne zu sehen, was es schon an Beispielen gegeben hat, wo man gesehen hat und nach wie vor sieht, daß es zu einem Aufstand deklassierter Mittelschichten gekommen ist, was auch in Österreich, wenn man hier nun vereinfacht der Deregulierung das Wort redet, passieren kann.
Den Ausführungen meiner Vorredner, des Abgeordneten Prinzhorn zum Beispiel, aber auch des Kollegen Peter, kann ich entnehmen, daß sehr stark der amerikanische Weg von Reagan und Bush eingefordert wird. Man sollte aber doch bedenken, da Amerika wohl in vielen Bereichen, auch im Bereich der Deregulierung, oft ein Vorreiterland gewesen ist, daß man manches begrüßen, aber sehr, sehr vieles mehr als kritisch betrachten soll. Man muß sehen, wozu das dort geführt hat und wo die großen Gefahren liegen.
Zuerst haben die Deregulierungsmaßnahmen zu einer enormen Arbeitslosigkeit geführt. Es kam dazu, daß die Lohnschere noch weiter auseinanderging. Wenn man jetzt davon spricht, daß nach einer gewissen Durststrecke von 10, 12, 15 Jahren in Amerika die Arbeitslosenrate geringer ist als hier in Europa, dann muß man gleichzeitig dazusagen, daß es sich der durchschnittliche Amerikaner nicht leisten kann, nur einen Job zu haben, sondern meistens mindestens zwei Jobs hat und daß das untere Fünftel und auch das mittlere Fünftel der amerikanischen Arbeitnehmer heute absolut weniger verdient als vor 15 Jahren und daß nur die obersten 5 Prozent diese Deregulierung tatsächlich zu ihrem Vorteil nutzen konnten und es dort zu einem Einkommenszuwachs von mehr als 40 Prozent gekommen ist.
Die Unterschiede im Einkommen und im Vermögen sind jedenfalls in den Vereinigten Staaten inzwischen so groß, wie sie es seit Anfang dieses Jahrhunderts nicht mehr waren. Ähnliche Zahlen finden wir auch in Großbritannien vor, wo auch die Deregulierungsphase der Premierministerin Thatcher und deren Nachfolgers zu denselben oder ähnlichen Symptomen geführt hat. Zuerst kam es zu einem massiven Rationalisierungsschub – das können wir jetzt natürlich auch bei uns aufgrund anderer Faktoren verzeichnen –, aber dann hat diese Deregulierung selbstverständlich zu sozialen Spannungen und Problemen geführt, die wir uns in Österreich beziehungsweise in Europa insgesamt nicht leisten wollen.
Sehen Sie sich an, wozu diese großen Einkommensunterschiede und diese sozialen Spannungen gerade in den Vereinigten Staaten geführt haben: In jeder großen Stadt herrscht mittlerweile ein Sicherheits- und Kriminalitätsproblem, das die öffentlichen Hand weit mehr kostet, als wahrscheinlich aus volkswirtschaftlicher Sicht die Deregulierungsmaßnahmen insgesamt gebracht haben.
Allein deshalb kann es doch am Ende dieses Jahrhunderts beziehungsweise Jahrtausends nicht nur eine Lösung geben, noch dazu genau die gleiche oder ähnlich klingende wie schon vor hundert Jahren, nämlich einen sehr einfachen Wirtschaftsliberalismus, der vereinfacht so klingt: