Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 418

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Also wenn sie wirklich Lesen, Rechnen und Schreiben gleichsetzt und nicht erkennt, daß Lesen eine eigene Dimension für die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen ist und daß Lesen beziehungsweise das Buch eine eigene Dimension für die Entwicklung einer Gesellschaft ist, dann ist das sowieso schon ein beredtes Zeichen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Das war sowieso der Anlaßfall. Es ist damals darum gegangen, daß es einen Landeshauptmann in diesem Lande gibt, der stolz darauf ist, daß er nur ein Buch in seinem Leben gelesen hat. Das muß man wirklich einmal von hier aus sagen, damit es auch in einem Protokoll festgehalten wird. Das ist ja wirklich ein starkes Stück. (Abg. Dr. Haselsteiner: Und das nur zur Hälfte! – Abg. Dr. Fuhrmann: Es war immerhin "Der Schatz im Silbersee", ein Karl May!) Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen, wenn Sie "immerhin" sagen, aber darauf will ich mich jetzt nicht einlassen (Abg. Dr. Fuhrmann: Ich habe es ironisch gemeint!), weil ich wirklich glaube, daß das ein viel zu ernstes Problem ist, weil es wirklich eine bornierte Geisteshaltung zum Ausdruck bringt, die auch weichenstellend für eine Gesellschaft sein kann, wenn das dann jene Menschen sind, die in der Politik in solchen Positionen sitzen.

Aber man sollte wirklich – und deswegen wäre ich froh, wenn das auch in die Unterrichtsdebatte einflösse – Grundlagen dafür schaffen, daß zum Beispiel bildende Künstler, ohne daß sie Lehrer sein müssen, auch als Zeichenlehrer auftreten können. Wir müssen diesen Formalismus, den wir bei uns haben, daß man für alles eben seine Zeugnisse braucht – anders geht es nicht –, überwinden und wirklich viel mehr Kulturschaffende in die Schulen holen. Das halte ich für notwendig, weil auf diese Weise ein ganz anderer Diskurs entsteht und auch ein anderes Ambiente erzeugt wird, aber auch eine andere Geisteshaltung vermittelt wird, wenn das nicht nur vom Lehrer kommt, der halt irgend etwas gelernt hat, sondern wenn das auch von jenen kommt, die damit leben und deren Lebensinhalt das ist. Das hätte auch eine Vorbildwirkung und wäre ein Anreiz für junge Menschen, sich damit auseinanderzusetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das war das Vorletzte, das ich anmerken wollte, denn mein Letztes setzt sich mit etwas auseinander, wo es auch einen Anlaßfall gibt, der, wenn mich nicht alles täuscht, keine Woche alt ist.

Es geht um ein Thema, das ich hier auch schon angesprochen habe. Ich halte es für falsch, wenn ein Richter oder ein Beamter, wer auch immer, darüber entscheidet, was Kunst ist und was nicht. Und genau das passiert, wenn der § 188 "Herabwürdigung religiöser Lehren" zur Anwendung kommt. Das ist jetzt kürzlich dem Regisseur Hubsi Kramar mit seinem Stück "Dracula" passiert, wo in der Generalprobe ein Beamter der Polizeibehörden gesessen ist ... (Abg. Dr. Fischer: Ist das der 188er? Ist das nicht der 110er?) – Das ist der 188er! – Wenn ein Beamter sich etwas anhört und auf einmal das Gefühl hat, daß der § 188 betroffen ist – es war in diesem Fall die Adaption des Vaterunser –, wird eine Anzeige erstattet, und der Regisseur mußte dann diese Passage aus seinem Stück streichen.

Das ist einfach der falsche Weg, und daher müssen wir sehr wohl darüber diskutieren, ob diese strafgesetzliche Bestimmung noch aufrechterhalten werden kann. Ich halte sie für überholt, ich halte sie für falsch. Es ist nicht Sache des Staates, darüber zu urteilen.

Es ist mir ganz wichtig, daß wir auch zu einer privaten Kunstförderung kommen. Allerdings halte ich die Gegenargumente, die Ihnen von dieser Seite (in Richtung Freiheitliche) unterstellt werden, für wirklich bizarr und skurril. Daß der Herr Minister deswegen dagegen ist, damit er alles in der Hand hat, ist wirklich ein bizarrer Gedankengang – das unterstelle ich Ihnen nicht. Aber etwas anderes stört mich schon auch an Ihnen, nämlich daß Sie hier nicht aktiv werden, um Modelle zu entwickeln, die bewirken könnten, daß es auch private Sponsoren gibt, und die darüber hinausgehen, ob irgend etwas werbliche Zwecke hat oder nicht.

Aber da kommen wir eben genau zu dem Problem – das ist mir klar, und deswegen müssen wir darüber diskutieren –, daß ein Finanzbeamter oder der Richter entscheidet, was Kunst ist und was nicht. Und da müssen wir in der Abwägung wissen, wofür wir uns entscheiden, nämlich für


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite