Richtung Zeugnis beginnt. Die letzten Schularbeiten stehen vor der Tür, und das Zittern um ein positives Abschlußzeugnis hat begonnen.
Zeugnisse sind immer noch Gradmesser des Könnens und der Leistung der einzelnen Schüler und können auch eine motivierende Wirkung haben. Aber immer ist es nicht so, für sehr viele Kinder und Jugendliche steht nämlich die Angst vor einem schlechten Zeugnis, mit einem oder mehreren Nichtgenügend, im Vordergrund und nicht die Motivation. Wie heute schon mehrmals von Vorrednern der Oppositionsparteien erwähnt wurde, bin auch ich der Meinung, daß es eine Ressourcen- und Zeitverschwendung ist, daß bei der Regelung des Aufsteigens in die nächsthöhere Klasse immer noch nach dem Faßdaubenprinzip vorgegangen wird. Wenn auch nur ein einziger Fünfer im Zeugnis steht, dann ist unter Umständen das Wiederholen des gesamten Schuljahres notwendig – auch wenn alle anderen Abschlüsse positiv sind. Wir alle wissen auch, daß mit dem Wiederholen einer Klasse eine Entwurzelung aus dem gewohnten sozialen Umfeld der Klassengemeinschaft einhergeht. Das ist ein Umstand, der sicher nicht leistungsfördernd wirkt.
Daher halte auch ich den ersten Vorstoß von Frau Bundesministerin Gehrer für sehr begrüßenswert, die Möglichkeit des Aufsteigens mit einem Nichtgenügend nicht mehr vom Beschluß der Klassenkonferenz abhängig zu machen, sondern eine gewisse Automatik in diese Regelung zu bringen. Dadurch würde die Berechtigung zum Aufsteigen wohl auch objektiver und vor allem transparenter werden.
Ich mache einen noch weiter gehenden Vorschlag, und zwar denke ich, daß es gerechtfertigt ist, Schülerinnen und Schüler mit einem oder zwei Nichtgenügend aufsteigen zu lassen.
Genauso wichtig wie diese gesetzlichen Neuregelungen wären meiner Meinung nach auch begleitende pädagogische Maßnahmen, wenn ein Nichtgenügend droht oder bereits im Zeugnis steht. Es wäre möglich, daß die Schule über den Sommer Stütz- und Förderkurse anbietet, im Hinblick auf eine eventuelle Nachprüfung im September. Es könnte für gefährdete Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Schule schon früher beginnen. Diese Maßnahme hätte den Vorteil, daß vom gewohnten Klassenlehrer unterrichtet werden und die Vorbereitung für die Nachprüfung viel zielgenauer sein könnte. Außerdem würde das Nachhilfeunwesen eingeschränkt werden, und es müßten nicht so wie jeden Sommer Millionen Schilling in Nachhilfestunden fließen. (Beifall bei der SPÖ.)
Als ein zukunftsweisendes Leistungsbeurteilungsmodell erscheint mir die sogenannte kommentierte direkte Leistungsvorlage, die momentan in 13 Wiener Volksschulen als Schulversuch läuft. Dabei bekommen die Kinder kein Zeugnis, sondern die Leistungen werden in einer Sammelmappe dokumentiert. Die Eltern können diese Mappe mit Arbeitsblättern, Texten, Werkstücken, Zeichnungen, Hausaufgaben jederzeit einsehen. Mindestens einmal pro Semester müssen sie diese Dokumentation, die der Lehrer zusammenstellt, unterschreiben. Das heißt aber auch, daß es dabei zu einem Gespräch kommen muß, zu einem Gespräch zwischen Eltern, Lehrern und Schülern.
Das Einbeziehen der Eltern in die Modalitäten der Leistungsbeurteilung halte ich für einen sehr wichtigen Schritt. Ich glaube, daß damit eine realistische Sicht der Leistungen der eigenen Sprößlinge ermöglicht wird. Ein mindestens einmal pro Semester stattfindendes Gespräch zwischen Schülern, Lehrern und Eltern über den Stand der Leistungsbeurteilung bezieht alle am Schulleben Beteiligten ein. Schülerinnen und Schüler sind so nicht mehr mit dem Vorwurf des Versagens im Falle einer schlechten Beurteilung alleingelassen.
Ich glaube, es ist sehr wichtig, daß die Eltern von vornherein oder zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sehen, wo es eine Teilleistungsschwäche gibt, und rechtzeitig etwas dagegen unternehmen können.
Daher denke ich, daß dieses Modell – freilich in adaptierter und altersgerechter Form – auch für die Mittelstufe anzuwenden wäre. Eine Überprüfung verschiedener Feinziele in jedem Unterrichtsgegenstand, die gemeinsam vorgenommen wird, nämlich wieder von Eltern, Lehrern und Schülern, erhöht zwar den pädagogischen Anspruch an die Unterrichtenden, schafft aber sicher