Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 445

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6 Milliarden Schilling für die Ausbildung ihrer Lehrlinge aus – sowie die administrative Mühsal – sprich: die Bürokratiebelastung – zuviel geworden. (Abg. Haigermoser: Wer ist dafür verantwortlich?)

Nur ein kleines Beispiel, Herr Abgeordneter Haigermoser: Für den auf dem Markt sehr erfolgreichen Elektronikkonzern ABB war die ständige Ausweitung der Berufsschulzeiten, meine Damen und Herren, mit ein Grund, die Ausbildung von Lehrlingen mittlerweile einzustellen. Die Kosten der Lehrausbildung – auch in den verstaatlichten Lehrwerkstätten – haben dazu beigetragen, daß Lehrwerkstätten jetzt verödet sind.

Bevor ich zu meinen Wünschen für eine Aufwertung der Lehrlingsausbildung komme, möchte ich noch kurz auf die Gründe eingehen, warum mir die Förderung des dualen Ausbildungssystems so wichtig erscheint.

Erstens: Wenn zuletzt von einer Gründerwelle, und zwar von 50 000 neuen Unternehmen mit neuen Jobs die Rede war, so sei darauf hingewiesen, daß Lehrabsolventen die Hauptquelle für frisch entstehendes Selbständigen-Dasein darstellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

52 Prozent aller Selbständigen in der gewerblichen Wirtschaft sind nämlich Lehrabsolventen. Vergleichsweise bescheidene 5 Prozent kommen von den Universitäten, von denen in letzter Zeit soviel die Rede war. 88 Prozent aller Facharbeiter und 73 Prozent der Vorarbeiter und Meister sind ehemalige Lehrlinge. 87 Prozent der Lehrabsolventen sind zudem in der Privatwirtschaft tätig. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt auch gefragt. Ihre Verweildauer in der Arbeitslosigkeit liegt weit unter dem allgemeinen Durchschnitt.

Zweitens: Ein funktionierendes duales Ausbildungssystem hat Österreich bislang auch von der Geißel der Jugendarbeitslosigkeit verschont. Die Arbeitslosenquote bei den Unter-25jährigen lag im Vorjahr bei 5,9 Prozent, im EU-Durchschnitt war sie knapp viermal so hoch. – Und doch ist es notwendig, auch in diesem Bereich Alarm zu schlagen. Im ersten Quartal 1996 waren um 12,9 Prozent mehr Jugendliche ohne Job als noch vor einem Jahr. Ein Wert von gut 8 Prozent sollte uns kräftig auf- und wachrütteln.

Drittens: Man sollte nicht unterschätzen, daß die Lehrlingsausbildung marktkonform erfolgt. Sie basiert auf dem höchsten Effizienzlevel, und das Lehrlingswesen ist im Bereich des Arbeitsmarktes selbstregulierend. Dort, wo Mitarbeiter gebraucht werden, werden sie ausgebildet.

Wir sehen auch, daß die Qualität der österreichischen Lehrlingsausbildung Weltspitze ist: Bei der letzten Lehrlingsolympiade 1995 im französischen Lyon errangen 10 von 17 rot-weiß-roten Vertretern Medaillen. In der Relation Teilnehmer und Auszeichnungen bedeutet dies unangefochtene Weltspitze: Wir sind erste! – Und ich warne davor, dieses System zu zerschlagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Viertens – das erscheint mir besonders wichtig –: Junge Menschen haben unterschiedliche Begabungen. Wir legen immer weniger Wert auf die praktische Intelligenz. Ich glaube, die praktische Intelligenz, die vorhanden ist, das handwerkliche Können, das Europa in seiner Qualität auszeichnet, soll gefördert und nicht abgewürgt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was schwebt der Wirtschaft und uns für ein Maßnahmenbündel vor?

Erstens: Es ist ganz wichtig, daß wir im Betrieb eine Mindestausbildungszeit haben.

Zweitens soll die Berufsschulzeit branchenorientiert und flexibler gestaltet werden, und es ist von einer Verlängerung der Berufsschulzeit dringend abzuraten. Das ist einer der Punkte, warum Betriebe nicht mehr Lehrlinge ausbilden. Es soll außerdem auch – weil wir von einem lebensbegleitenden Lernen sprechen – Möglichkeiten geben, später etwas nachzuholen und das Wissen zu erweitern.

Drittens: Ein sehr wichtiger Punkt ist die Kreation einer Fach- und Berufsmatura. Es darf nämlich nicht sein, daß eine Lehrlingsausbildung zu einer Bildungssackgasse wird und daß gegenüber


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