Arbeitswelt von heute und morgen ist eine wichtige Aufgabe unseres Bildungswesen. Die Vielzahl der Berufs- und Bildungsmöglichkeiten sowie die zunehmende Differenzierung der Bildungs- und Ausbildungswege und die sich rasch verändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten verlangen intensive und effiziente Orientierungs- und Beratungshilfen.
Die Aufgabe der Schule, die Jugendlichen auf das Berufs- und Arbeitsleben vorzubereiten, ist im Schulorganisationsgesetz beziehungsweise in den Lehrplänen durch die unverbindliche Übung "Berufsorientierung und Berufsinformation" in der 7. und 8. Schulstufe, durch den Gegenstand "Berufskunde und praktische Berufsorientierung" am Polytechnischen Lehrgang, weiters durch die Schulveranstaltung "Berufspraktische Tage" in der 8. Schulstufe und am Polytechnischen Lehrgang durch das Unterrichtsprinzip "Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt" verankert. Der Prozeß der beruflichen Orientierung leistet also damit von der 1. bis zur 4. Klasse der Pflichtschule insgesamt einen wertvollen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung beziehungsweise überhaupt zur Entwicklung der Vorstellungen über die Zukunft.
Es soll daher im Unterricht vorwiegend von den Interessen, Neigungen, Fähigkeiten, Eignungen, Bedürfnissen und Werthaltungen der Schüler ausgegangen und somit Hilfe bei der Planung des zukünftigen Lebensweges angeboten werden. Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse der Jugendlichen mit Arbeit stehen im Vordergrund und bilden Anknüpfungspunkte.
Dem Koalitionsabkommen ist dazu folgendes zu entnehmen – ich zitiere –:
"Bei der Neugestaltung der Lehrpläne sind die Schwerpunktbildung in inhaltlichen Bereichen, die Schlüsselqualifikationen sowie der verstärkte Bezug zu den Lebens- und Handlungsfeldern zu berücksichtigen. Verbesserte Schullaufbahnberatung, Berufsorientierung, sowie die Beschäftigung mit neuen Technologien sind notwendig."
Seit Ende 1994 gibt es nun eine Arbeitsgruppe im Ministerium, wie Sie, Frau Ministerin, sicherlich wissen, die ein Konzept für die Verankerung einer neuen Berufsorientierung im Bereich der 10- bis 14jährigen erarbeitet, welches natürlich auch mit der AHS akkordiert werden muß. Im Interesse der Schüler wäre es daher wünschenswert, daß dieses Konzept so bald wie möglich Eingang in die Praxis findet.
Gestatten Sie mir dazu ein paar sehr persönliche Bemerkungen: Meiner Meinung nach ist es zu spät, erst in den letzten Hauptschulklassen mit der Berufsorientierung zu beginnen, wie es derzeitige Praxis ist. Es müßte spätestens ab der 2. Hauptschul- beziehungsweise 2. AHS-Klasse ausreichende Beschäftigung mit Berufsfeldern geben, und zwar deutlich mehr als bisher.
Vor allem wäre dabei die Chance groß, Mädchen frühzeitig für nichttypische Frauenberufe zu interessieren. Gerade jetzt, wo man merkt, daß es auf dem Arbeitsmarkt vor allem für Frauen Probleme gibt, gerade diese Situation zeigt uns, daß es Frauen nur dann möglich ist, einen Arbeitsplatz zu finden und diesen auch zu behalten, wenn sie die notwendigen Qualifikationen mitbringen.
Wenn Mädchen bereit sind, von den traditionell weiblichen Berufen abzugehen, dann haben sie auch mehr Chancen bei ihrer Lehrstellensuche. Ein von mir initiiertes Berufsorientierungsprojekt an allen Hauptschulen meines Bezirkes zeigte dies sehr deutlich. Gestatten Sie mir, Frau Kollegin Tichy-Schreder, Ihnen zu sagen, es hat mir sehr gefallen – daß Ihre Intentionen von der Wirtschaftsseite kommen, ist mir klar –, daß Sie unter anderem gesagt haben: Karriere mit Lehre – da muß mehr geschehen!
"Karriere mit Lehre", das beinhaltet natürlich auch das Problem des mangelnden Prestiges. Sie wissen das genau so wie ich. Derjenige, der eine öffentliche Anerkennung seines Berufsweges vor sich sieht, wird diesen Berufsweg natürlich lieber ansteuern. Wir wissen aber leider, daß der Facharbeiter, daß die Lehre an sich nicht unbedingt hohes Prestige genießt. Nur kann ich nicht umhin, mich diesbezüglich auch ein bißchen kritisch in Richtung Wirtschaft zu äußern.
Ich habe mich in den letzten 15 Jahren sehr stark mit der Verbindung Schule und Berufsorientierung, sprich Wirtschaft, beschäftigt. Manchmal war ich davon überzeugt, daß die