Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 469

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Das ist die zentrale Frage, eine Frage, die mindestens von der gleichen Bedeutung ist wie damals die Frage, ob Österreich ein atomenergiefreier Staat bleibt oder ob wir in diese Technologie einsteigen, von der wir heute wissen, daß sie verhängnisvoll war und ist. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Frau Bundesministerin! Diese Frage ist keine naturwissenschaftliche Frage, es ist eine zutiefst politische Frage, und Sie, Frau Bundesministerin, sind gefordert. Sie, Frau Bundesministerin, sind der österreichischen Bevölkerung eine Antwort schuldig auf die Frage: Wie halten Sie es mit gentechnischen Freisetzungsexperimenten?

Es geht nicht um die Frage, was naturwissenschaftlich machbar ist und wie die Einschätzung der in diesem Bereich tätigen Wissenschafterinnen und Wissenschafter lautet, sondern es geht um die Frage: Wo soll Österreich politisch hinsteuern? – Frau Bundesministerin! Das heißt, Sie können sich in dieser Frage nicht länger einer längst ausständigen Antwort enthalten.

Frau Bundesministerin! Die Frage der Gentechnik, vor allem die Frage von Freisetzungen, hat mindestens die Brisanz der Frage der Atomenergie und des Einstieges in diese Technologie, ja oder nein. Längst schon wissen wir, daß auch in vielen anderen Bereichen naturwissenschaftlich vieles machbar ist, aber wir wissen nicht, ob wir dorthin steuern sollen.

Auch die Medizin kann heute viel mehr als das, was vielleicht moralisch-ethisch vertretbar ist. Wir können hirntote Menschen am Leben erhalten – wenn man es Leben nennen kann –, wir können ihre Lebensfunktionen erhalten. Es ist eine politische Frage: Wie weit kann das gehen? Wie lang kann das gehen? Können solche Frauen Kinder zur Welt bringen? Das ist eine politisch zu beantwortende Frage.

Wir haben hier in diesem Haus auch über In-vitro-Fertilisation gesprochen, und wir haben dazu den Standpunkt vertreten, daß wir politisch darüber entscheiden müssen, was die Naturwissenschaft darf und was sie nicht mehr darf. Es kann nicht so sein, daß die Naturwissenschaft für sich selbst entscheidet, wo ihre Grenzen sind, denn dann wissen wir, daß wir politisch hinterherlaufen und daß wir diese Grenzziehung nicht mehr vornehmen können.

Politische Entscheidungen sind gefragt, und Sie, Frau Bundesministerin, haben heute die Chance, vor diesem Hause Ihre Meinung zu sagen. Sie sollten diese Chance nicht ungenützt verstreichen lassen!

Es ist nicht die Frage von wissenschaftlichen Ausschüssen, denn wenn Sie diesen Ausschüssen die Antwort überlassen, dann kann ich Ihnen heute schon sagen, wie sie ausfallen wird. Sie wissen doch genausogut wie ich, wie diese Ausschüsse zusammengesetzt sind. Dort sitzen in großer, großer Mehrheit leidenschaftliche Vertreter der Gentechnik. (Abg. Dr. Nowotny: Das sind keine "leidenschaftlichen Vertreter"! Das sind Experten, Wissenschafter! Das wollen Sie nicht hören!) Herr Abgeordneter Nowotny! Das mögen Experten sein, aber Sie wissen so gut wie ich, daß es sowohl in Fragen der Atomenergie, daß es in Fragen der Toxikologie, daß es in Fragen der Gentechnik genau um diese Beurteilung geht: Welches Risiko muten wir den Bürgerinnen und Bürgern zu, in ökologischer Hinsicht und in naturwissenschaftlicher Hinsicht?

Ich kann mich natürlich auf den Standpunkt zurückziehen: Hoffentlich wird nichts passieren. Ich habe diese Hoffnung auch, aber das ist politisch keine Antwort. Politisch geht es um die Frage: Wollen wir das Risiko auf ein absolutes Minimum begrenzen, so wie das Österreich damals mit der Entscheidung um Zwentendorf getan hat, oder wollen wir das nicht? Wir haben immer noch ein Risiko, etwa der grenznahen Atomkraftwerke, aber im eigenen Bereich haben wir das Risiko auf Null gestellt, und das war damals eine gute Entscheidung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Warum sind Sie so aggressiv?)

Wir haben diese Risikodiskussion nicht geführt. Wir haben sie vor allem politisch nicht geführt. (Abg. Dr. Nowotny: Wir haben sie geführt!) Nein, Herr Abgeordneter Nowotny! Ich erinnere Sie daran, was damals im Ausschuß passiert ist. In diesem Unterausschuß des Gesundheitsausschusses waren damals so lange Vertreter aus dem Bereich Wissenschaft, aus dem Bereich Gesundheit dabei, solange es nicht wirklich um die Entscheidung gegangen ist. Und dann gab


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