Gesellschaft einmal so weit ist, daß sie das, was sie umsetzen will, nur mehr durch Strafen erzwingen kann, dann bricht sie auseinander. Dann ist der soziale Friede gefährdet, dann ist die innere Sicherheit gefährdet, und dann ist auch ein demokratiepolitisches Problem auf dem Tisch, denn dann sind schnell diejenigen da, die einfache Antworten geben, die auf den ersten Blick glaubwürdig sind, die nicht so kompliziert sind wie das, was wir hier machen, und die daher sozusagen absahnen, wenn etwas zerbricht. Das ist nicht das, was wir uns für eine ruhige, friedliche und harmonische Entwicklung der Gesellschaft wünschen, wobei ruhig, friedlich und harmonisch nicht heißt, mühelos, nicht heißt, ohne Plage, das heißt es nicht. Aber man muß einen Sinn erkennen. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Herr Bundesminister! Weil in diesem Haus in den letzten zwei Wochen von der Opposition mit unterschiedlichen Positionierungen vielfach schwer beklagt wurde, daß man mit den großen Mehrheiten der Regierungsparteien einfach stark über sie drübergefahren ist, daß man ihr fast das Gesicht genommen hat, habe ich Ihnen etwas mitgebracht, und ich bitte Sie, das vielleicht in den nächsten Tagen einmal internen Gesprächen in Ihrem Haus in aller Ruhe abzuklären. Mir liegt hier ein sehr interessantes Schreiben vor – es ist ein gedrucktes Schreiben, daher ist es auch in keiner Weise vertraulich –, und zwar vom Finanzamt für Körperschaften in Wien, Arbeitgeberreferat. In diesem Schreiben werden die Unternehmen, die angeschrieben wurden – es handelt sich dabei in der Regel um Kapitalgesellschaften –, auf die wichtigen Änderungen bei der Lohnverrechnung aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes ab Juni 1996 aufmerksam gemacht. Es wird genau mitgeteilt, wie man mit den Freibeträgen umzugehen habe, was hinsichtlich der Bestimmungen mit den Überstundenzuschlägen von über 190 S und so weiter zu geschehen hat. Ich lese das alles nicht vor. Das Schreiben ist als Hilfe für Arbeitgeber gedacht. Nur: Es hat einen ganz schweren Schönheitsfehler: Es trägt das Datum 16. April 1996. Doch die dazugehörenden Gesetze wurden erst am 19. April 1996 in diesem Haus und eine Woche darauf vom Bundesrat beschlossen. Da frage ich mich: Wie weit sind wir in diesem Parlament gekommen, wenn nachgeordnete Dienststellen des Finanzministeriums am 16. April eine geltende Rechtslage verkünden, die erst am 19. beschlossen wird? (Beifall beim Liberalen Forum.)
Das ist in diesem Fall ein überschießender Eifer, die Steuerpflichtigen belehren zu wollen, und dieser überflüssige Eifer ist entlarvend: Er zeigt nämlich deutlich, daß die nachgeordneten Dienststellen des Herrn Bundesministers für Finanzen der Meinung sind, der Nationalrat kann beschließen, was er will, sie wissen ohnehin, was herauskommt, und zwar schon drei Tage vorher. Der Bundesrat interessiert sie schon überhaupt nicht, der erst eine Woche darauf die Strukturanpassungsgesetze beschlossen hat. Sie lassen einmal drucken. Das ist im Bundesrechenzentrum nicht erst am 16. April gedruckt worden, sondern das muß schon vorher gedruckt worden sein, denn sonst kann man das Schreiben nicht mit 16. April datieren.
Das heißt also, deutlich eine Woche vor der Sitzung, in der wir hier den diesbezüglichen Beschluß gefaßt haben, ist diese Aussendung schon hinausgegangen. Das war eine Bestimmung, nämlich das Aussetzen der Freibeträge, die offenbar in der Koalition völlig außer Streit gestanden ist, sodaß das Risiko, daß das vielleicht plötzlich aufgrund eines redaktionellen Abänderungsantrages nicht gestimmt hätte, klein war. Aber theoretisch war es vorhanden.
Wenn man aber eine Aussendung zum Beispiel bezüglich der Werkverträge auch mit solch einem ungeschickten Datum, nämlich dem 16. April gemacht hätte, dann hätte man übersehen, daß am 19. April eine Ausnahme für die Kolporteure beschlossen worden ist. Aber vielleicht hat man das schon gewußt. Ich nehme nicht an, daß sich der Herr Dichand erst fünf vor zwölf bemüht hat, das zu ändern, sondern schon ein bisserl früher. Daher hat man schon früher erkannt, daß sich das wahrscheinlich ohnehin ändern wird. Nur: Dafür war kein Rundschreiben notwendig, da hat man noch einmal Glück gehabt, denn sonst wären mehrere Mitspieler in diesem Szenario schwer blamiert gewesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Es hätte mich nicht gestört, wenn sich da die nachgeordnete Dienststelle des Herr Bundesministers blamiert hätte, denn das hätte vielleicht noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang gerichtet. Mich aber stört diese Vorgangsweise, ich halte sie geradezu für unerträglich. Wenn sich ein oberstes Organ wie der Nationalrat so etwas nachhaltig gefallen
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