Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 50

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stundenzuschläge anzuheben – nicht aber auch voll und ganz normal besteuern, denn das wäre doch gerechter? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dann würden zwar Überstunden nicht unterbleiben, aber es würde sie wirklich nur mehr dort geben, wo es aus ganz bestimmten Gründen sinnvoll und richtig ist. Das Ganze bitte – um nicht mißverstanden zu werden – selbstverständlich vor dem Hintergrund einer flexiblen Gestaltung der Arbeitszeiten mit Jahreszeitendurchrechnungen und mit einer Lebbarkeit von Wahlarbeitszeiten, das heißt von Arbeitszeiten, die nicht im starren Schema irgendeines fiktiven Vollarbeitszeitverhältnisses laufen.

Daß das alles nicht ohne sozial flankierende Maßnahmen geht, daß es nicht geht, einfach in Kauf zu nehmen, daß zwar geringfügig beschäftigte Menschen ein Einkommen erzielen, davon aber nicht leben können – die USA führen uns das in einem Teilsegment vor; in einem anderen Teilsegment sind sie sehr erfolgreich, auch bei hochwertigen Arbeitsplätzen –, sei nur der Vollständigkeit halber von mir erwähnt.

Auch aus diesem Grund haben wir Überlegungen angestellt. Man muß eben die Arbeitslosigkeit neu definieren. Das wären die eigentlichen Aufgaben, die die Bundesregierung jetzt zu lösen hätte. Solange man sich jedoch immer nur sozusagen im Kreise derer bewegt, die schon einmal Arbeit hatten, und alle anderen, die zwar eine Ausbildung haben, aber vielleicht den Arbeitsmarkt nie wirklich erfolgreich betreten können beziehungsweise verlangsamt oder nur sehr schwer, solange man also diese draußen läßt, sind natürlich auch die statistischen Zahlen automatisch geschönt, denn dann werden all diejenigen, die vorher nie einen Arbeitsplatz hatten, nicht mitgezählt. Dann sind eben 4 Prozent an Arbeitslosenrate bei uns deswegen so niedrig und in anderen Ländern die 11 Prozent deswegen höher, weil es dort vielleicht eine höhere Fluktuation gibt, sodaß eben einfach mehr Menschen in dieser Statistik erfaßt sind und die Arbeitslosigkeit dort sichtbarer als bei uns ist; bei uns ist sie halt versteckt.

Ich glaube, man macht einen schweren Fehler, in einer solchen Situation die Arbeitslosenrate in der Statistik zu schönen. Jene Menschen, die arbeitslos sind, wissen, daß sie keine Arbeit haben und können überhaupt nicht damit getröstet werden, daß sie nur ein Teil von veröffentlichten 4 Prozent sind. Das sind doch alles Einzelschicksale, das sind Menschen möglicherweise mit Familie, mit Sorgepflichten und auch mit einem zunehmend angeschlagenen Selbstbewußtsein, mit psychischen Problemen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die jetzt wirklich schon zur Zeitgeschichte gehörende Studie von Marienthal. – Ich fürchte jedoch, sie ist in Vergessenheit geraten. – Es ist eine der politischen Aufgaben, Rahmenbedingungen herzustellen, in denen sich die Wirtschaft erfolgreich entfalten kann, weil das auch gleichzeitig Nachfrage nach Arbeit bedeutet, sodaß sich die Menschen an ihren Arbeitsplätzen entfalten und deswegen zum Beispiel die Menge der von ihnen zu leistenden Arbeitszeit selbst wählen können.

Das alles setzt jedoch voraus – das sage ich, um jetzt nicht mißverstanden zu werden –, daß eine sozialpartnerschaftliche Gesinnung einkehrt, die nicht "Pfründe", die nicht "starre Strukturen" heißt, sondern daß man sich um die Anliegen der Menschen wirklich bemüht – und auch bitte vor Ort geht. Das habe ich nur deswegen erwähnt – obwohl das für Liberale selbstverständlich ist –, damit mir nicht jemand das Wort im Mund verdreht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich habe bereits vorhin erwähnt, daß es sinnvoll wäre, sich auch einer Wahlarbeitszeit zu nähern, was bedeuten kann, ja sogar bedeuten sollte, daß es zu Beschäftigungsverhältnissen kommt, die für sich alleine genommen nicht ausreichen, das ordentliche Fortkommen dessen, der diese Arbeit leistet, zu sichern, und daß man daher vielleicht den Begriff "Teilarbeitslosigkeit" definieren sollte, wenn es Wahlarbeitszeiten gibt, die letztlich dann Teilarbeitszeiten sind. Und das ist überhaupt nicht utopisch, denn in der Schweiz etwa findet das seit Jahr und Tag statt. Dort bekommt jemand, der eine Beschäftigung findet, die nicht im Sinne dessen ausreicht, was ich vorher ausgeführt habe, Zuzahlungen. Diese Zuzahlungen sind geringer als das, was man an ihn zahlen müßte, wenn er völlig arbeitslos wäre, sind aber so hoch, daß er mit dem, was er


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