Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 58

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"Die Ratlosigkeit des Europäischen Rates in der Beschäftigungsfrage zeigt sich darin, daß die Gipfelteilnehmer offenbar immer stärker zu Aktivismus statt zu Aktivitäten Zuflucht nehmen. So unterbreitete der Präsident der Kommission Jacques Santer den 15 EU-Chefs in Turin seine Initiative für einen sogenannten Europäischen Vertrauenspakt für Beschäftigung, der im Ansatz dem – gescheiterten – deutschen ‘Bündnis für Arbeit’ entspricht."

Das ist die Realität! Auf Europaebene fällt den Regierungsvertretern, Herr Kollege Mock, nichts mehr ein. Die Zeit der Ideen ist aus und vorbei. Niemand weiß auf europäischer Ebene – oder niemand will es wissen –, wie unter den Auspizien dieser Wirtschaftspolitik, die jetzt in allen europäischen Ländern betrieben wird, tatsächlich noch Beschäftigung gesichert werden kann. Es sagen doch die Wirtschaftsforscher nicht nur wie hier in Österreich versteckt, sondern in anderen Ländern wie beispielsweise Deutschland schon etwas lauter und sehr klar, daß mit dieser prozyklischen Politik der Defiziteinschränkung das Wachstum quer durch Europa ruiniert wird und damit das Ziel, das man eigentlich angestrebt hat, nämlich das Defizit zu bekämpfen, nicht erreicht werden kann.

Das ist die Realität, der wir in Europa jetzt gegenüberstehen. Wir können das Defizit nicht nachhaltig bekämpfen, weil die Mittel dafür ungeeignet sind, und wir können damit schon gar nicht Beschäftigung und Wohlstand sichern. Wir können, wenn wir diese Politik weiterbetreiben, den europäischen Sozialstaat, auch wenn er ein bürokratischer Sozialstaat ist, mit dem Anspruch und der Dimension, tatsächlich soziale Sicherheit zu gewährleisten, nicht aufrechterhalten.

Das ist die Realität in Europa! Nicht zufällig wurde von der EU-Kommission eine Studie über Deregulierung und Beschäftigungswirkung in Auftrag gegeben. Diese kommt zu folgendem Urteil: "Insgesamt hat sich in der EU die Beschäftigungslage – im Sinne einer höheren Beschäftigungsquote und niedrigerer Arbeitslosenquoten – seit dem Beginn der Deregulierung nicht verbessert.

Solange uns keine eindeutigen Hinweise vorliegen," heißt es in dieser Studie weiter, "sollten wir die Mitgliedstaaten nicht dazu anhalten, ihre Beschäftigungspolitik auf der Annahme aufzubauen, daß die Vorteile einer breit angelegten Arbeitsmarktderegulierung erwiesen sind."

Das ist eine klare und deutliche Aussage, die das Scheitern dieser Politik eigentlich eingesteht, das Scheitern einer Politik, die in den letzten zehn Jahren auf Deregulierung auf Teufel komm raus gesetzt hat. Und jetzt ist der Teufel heraußen! Jetzt sinken überall in Europa nicht nur die Wachstumszahlen, sondern es sinken auch die Beschäftigungszahlen. Und niemand weiß, wie das weitergehen soll. Da wird man sich dann wieder zu einem neuen Gipfel treffen und beraten, vielleicht den Gewerkschaften etwas anbieten, die Gewerkschaften ins Gespräch einbinden. Aber – lieber Kollege Verzetnitsch, du weißt das ganz genau –: Es wird nichts dabei herauskommen, so wie in den letzten zehn Jahren nichts herausgekommen ist.

Das ist die Realität! Die gesteht man nicht ein, auf europäischer Ebene nicht und hier auf dieser Regierungsbank schon gar nicht. Da wird so getan, als ob man schon irgendwie weitermachen könnte, als ob es schon irgendwie weitergehen würde – man hat es ja auch in den letzten Jahren hinbekommen.

Jetzt zeigt sich aber: Es geht nicht so weiter! Es ist Schluß mit dieser Art, Politik zu betreiben! Überall, an allen Ecken und Enden brennt es: in der Beschäftigungspolitik, in der Beschäftigungssituation, im Sozialstaat. Wir haben ja vor zwei Wochen die Perspektiven dieses österreichischen Sozialstaates diskutiert: Sozialmißbrauchsverhinderung, Sozialstrafen – das sind die "Perspektiven", die wir derzeit zu bieten haben.

Zumindest beschäftigungspolitisch ist Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien – und ich gebe zu, auch den Oppositionsparteien – nicht sehr viel eingefallen. Ich gestehe es ein: Es ist nicht möglich, irgend etwas Neues zu erfinden. Aber es ist möglich und denkbar, durchaus mit alten Konzepten, mit alten Ansätzen auch etwas Neues zu entwickeln, auch vorwärtszugehen. Wir haben beispielsweise ... (Abg. Verzetnitsch: Was ist mit der Bauwirtschaft? Was ist mit der Infrastruktur, die gemacht wird?)


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