Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 74

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steuer und bei der Getränkesteuer nicht möglich sind, im Jahre 2000 nur noch 100 Millionen Nächtigungen haben werden und daß die Deviseneinnahmen nur noch 5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ausmachen werden. Ich bin gespannt darauf, welche Ausreden ich mir dann von Ihnen werde anhören müssen.

Optimismus werden Sie verkünden. Mut, wird Höchtl sagen. Dann wird es heißen: Liebe Unternehmer, arbeitet ein bißchen mehr, dann geht es schon wieder! – So einfach ist Wirtschaftspolitik nicht! Das können wir nicht so hinnehmen.

Der Herr Sozialminister hat dankenswerterweise in seiner Diktion schon vieles dazugelernt. Er hat gesagt, Vollbeschäftigung sei nicht verordenbar. – Mein Kompliment, Herr Sozialminister! Das ist ein wirklich wahres Wort! Herr Sozialminister, Sie haben aber nichts darüber gesagt, wie Sie darangehen werden, die notwendige Entflechtung zwischen dem Netz der sozialen Sicherheit und dem Arbeitseinkommen zu bewerkstelligen. Herr Sozialminister, Sie haben nicht dazu Stellung genommen, wie Sie sich eine Grundsicherung in unserer Republik vorstellen. Das ist ein ganz, ganz sensibles Thema, ein politisches Thema, das lange verdrängt wurde. Nur: Es steht doch fest, daß die notwendige Grundsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft offensichtlich über das Arbeitseinkommen nicht mehr funktioniert. Wir Liberale behaupten nicht, zu diesem Thema eine Patentlösung zu haben, aber wir laden Sie ein – wir hätten uns gefreut, wenn Sie heute dazu eine erste Stellungnahme abgegeben hätten –, darüber nachzudenken, wie wir das Netz der sozialen Sicherheit gemäß dem Wandel der Gesellschaft neu stricken können, wie wir die Trennung zwischen Arbeitseinkommen und sozialer Sicherheit durchführen können – eine schwierigere, aber umso wichtigere und notwendige Aufgabe. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Nun noch einige Anmerkungen prinzipieller Art. Ich würde mich freuen, wenn sie als Grundlage dieser Debatte verstanden werden würden. Wirtschaften ist ohne Zweifel kein Selbstzweck, sondern muß sich an der Befriedigung von Kundenbedürfnissen orientieren. Von einem hohen Wohlstandsniveau ausgehend, abgesichert durch ein dichtes soziales Netz, müssen wir eines wieder lernen: Arbeitszeitgestaltung den Wünschen unserer Kunden anzupassen.

Wir im Hohen Haus diskutieren viel zu sehr über die Probleme, die wir alle mit der Verteilungspolitik und der sozialen Sicherheit haben. Nur, verstehen wir doch eines: Die Verteilungspolitik und die soziale Sicherheit sind Ausfluß der Wertschöpfung, die vorher verdient wurde, und Wertschöpfung verdient man nur über Märkte, Wertschöpfung verdient man nur über Kunden, Wertschöpfung verdient man nur, wenn man versteht, was Kunden letztlich wünschen.

Wir diskutieren die ganze Frage der Beschäftigungspolitik und der Arbeitspolitik in unserem Land querbeet über alle Sektoren. Das ist doch nicht richtig. Da gibt es doch große Unterschiede. So hat der primäre Sektor, der landwirtschaftliche Sektor, seine Rationalisierung bereits abgeschlossen; da sind keine zusätzlichen Arbeitsplätze mehr zu bekommen. Im sekundären Sektor ist eine unerhörte Rationalisierungswelle im Gang, da werden Arbeitszeitverkürzungen wegen Produktivitätssteigerungen durch längere Maschinenlaufzeiten möglich sein. Nur im tertiären Sektor gibt es eine Beschäftigungschance, und wer die Beschäftigung im tertiären Sektor abwertet, der wertet die Beschäftigungschance in diesem Land ab. Es ist nicht menschenunwürdig oder unterwürfig oder der Ehre eines Menschen abträglich, im Bereich der persönlichen Dienstleistung zu arbeiten. Es gibt eine Unmenge von Arbeit, wo heute keine Nachfrage mehr besteht, weil sie zu teuer geworden ist.

Herr Wirtschaftsminister und Herr Sozialminister! Wo sind Ihre Rahmenbedingungen spezifisch für den tertiären Sektor, der sich schließlich zum Teil in den quartären Sektor wandelt? Dazu gehören Versicherungen, die Banken, all das, wo die Telekommunikationsrevolution höhere Produktivitäten und damit auch Rationalisierungen und Freisetzungen ermöglicht. Wie werden Sie darauf antworten? Wo sind die Konzepte dieser Bundesregierung, wie die Rahmenbedingungen für die Arbeit in dem sich neu gestaltenden quartären Sektor zu gestalten sind? Wie wollen Sie es ermöglichen, daß die Beschäftigungschance im verbleibenden tertiären Sektor, die persönliche Dienstleistung, genützt wird?


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