Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 126

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führt, daß einige arbeiten und andere keine Arbeit mehr haben, dann ist das Arbeit, die zur Beseitigung der Arbeit führt.

Das heißt, der zentrale Punkt, der zentrale Konflikt ist nach meinem Dafürhalten, daß es einen neuen Katalog von Freiheiten und Rechten geben muß: das Recht, in jedem Alter zu lernen, zu studieren und nicht nur seine Arbeitskraft zu reproduzieren, quasi sich zu recyclen (Beifall bei der SPÖ), das Recht, öffentliche und politische Aktivitäten zu entfalten, das Recht, bei kranken Verwandten zu bleiben, das Recht auf Eigenarbeit, das Recht auf Zeitsouveränität. Eine Verkürzung der Arbeitszeit ist also unabdingbar, und das meine ich nicht nur in bezug auf die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit, sondern vor allem auf die jährliche Arbeitszeit, auf die Lebensarbeitszeit.

Wenn die Wirtschaft einem großen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung nur mehr unterbrochene, zeitweise, halbtägige oder prekäre Beschäftigung bietet, wenn prekär Beschäftigte nur mehr für die geleistete Arbeit entlohnt werden, aber nicht für die Zeitdisponibilität, und wenn zwischen 70 und 90 Prozent der geringfügig Beschäftigten Frauen sind, dann ist das eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Es ist eine Ungerechtigkeit, daß ein Teil der Bevölkerung ganztägig arbeitet, während ein immer größer werdender Teil kürzere Zeit mit niedrigerem Lohn arbeitet und ein Teil überhaupt arbeitslos bleibt.

Erwerbsarbeit muß daher nach meinem Dafürhalten für alle reduziert werden, weil das Individuum gegenüber der Gesellschaft ein unantastbares Recht nicht nur auf Einkommen, sondern auch auf Arbeit hat, ein Recht auf eigene Entfaltung. Die Arbeitslosigkeit kann zwar als eine zeitweilige Unterbrechung der Teilnahme an der ökonomischen Tätigkeit verstanden werden, aber nicht als Wahl, überhaupt nicht am Arbeitsprozeß beteiligt zu sein.

Wenn eine bestimmte Menge an Arbeit zur Existenz der Gesellschaft und seiner Individuen notwendig ist – und das ist durch die Natur der Dinge gegeben –, dann soll niemand die Last der Notwendigkeit für andere tragen, es soll auch niemand davon freigestellt sein. Daher bin ich auch skeptisch gegenüber all jenen Forderungen, die vom Liberalen Forum betreffend arbeitsloses Grundeinkommen erhoben wurden, weil es zwar ein Recht auf Einkommen garantiert, nicht aber das Recht auf Arbeit, und das Recht auf Arbeit ist untrennbar mit dem Recht auf Einkommen verbunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit gehört nach meinem Dafürhalten nicht nur das Recht auf Einkommen, sondern vor allem das Gefühl, daß die anderen mich brauchen, daß ich fähig bin, zu tun, was gesellschaftlichen Zielen entspricht. Aber es ist tragisch und bedauerlich, daß der Mensch zwar fähig ist, sich selbst auf den Mond zu schießen, hervorragende Technologien zu produzieren, aber nicht, eine intelligente Arbeitsorganisation beziehungsweise eine Arbeitsverteilung zu erreichen.

Wenn das gesellschaftlich benötigte Arbeitsvolumen sinkt und wenn Arbeitslosigkeit steigt, dann muß die gesellschaftlich benötigte Arbeitsmenge umverteilt werden. Wenn die Regelarbeitszeit sinkt und die Zeitsouveränität zunimmt – und das bei steigender Produktivität –, muß Arbeitszeit umverteilt werden.

Wenn man weiß, daß um das Jahr 1900 3 000 Arbeitsstunden nötig waren, um ein Fünftel von dem zu produzieren, was heute in 1 600 Jahresarbeitsstunden produziert wird, dann erkennt man die Notwendigkeit einer sozial verträglichen Umverteilung von Zeit und Arbeit. Das ist nach meinem Dafürhalten das prioritäre beschäftigungspolitische Ziel, das es jetzt im Sinne der Gerechtigkeit zu realisieren gilt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

17.55

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute von Kollegin Partik-Pablé gesagt worden, Minister Hums


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