Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 150

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Diese Macht der Parteien von 1945, die auch dadurch charakterisiert ist, daß der Zeitungsherausgeberverband, der im August 1945 gegründet wurde, nicht von den Zeitungsherausgebern und -verlegern bestückt wurde, sondern von den Parteienvertretern. Diese haben ihn begründet. Es sind drei Parteienvertreter drinnen gesessen, und der vierte Platz war leer, der hätte den Zeitungsherausgebern und -verlegern gebührt. Doch der vierte Posten wurde nicht besetzt.

Diese Macht der Parteien über die Medien hat sich in Österreich grundlegend verändert, aber nicht nur in Österreich, doch in Österreich in einer gravierenden und erschreckenden Art, und zwar vor allem deswegen in einer erschreckenden Art, weil dies völlig unreflektiert geschehen ist.

Diese Macht der Parteien hat sich völlig verändert und umgewandelt in eine Macht der Medien über die Parteien. Ich erinnere nur daran – das ist nun ungefähr zehn Jahr her –, daß der jetzige Kommentator von "täglich Alles", Gerd Leitgeb – ich glaube, auch in diesem Medium damals –, geschrieben hat: "Jagen wir die Politiker wie die Hasen!" Ich habe mir damals eigentlich gedacht, es müßte ein Aufschrei von seiten der Politik erfolgen; es müßten doch alle sofort reagieren, wenn da ein Zeitungskommentator sagt: "Jagen wir die Politiker wie die Hasen!" – nicht nur deswegen, weil ich ein besonderes Verständnis von diesem Satz habe, weil die Hasenjagd eine eindeutige Konnotation hat; Kollege Cap, du weißt es. – Dieser Satz erinnert an die "Mühlviertler Hasenjagd", wo es um das KZ Mauthausen gegangen ist. Dieser Satz darf, auch wenn er schon 1985 oder 1986 gesagt wurde, nicht einfach unkommentiert im Raum stehengelassen werden.

Es geht auch darum, meine Damen und Herren, daß nicht nur damals nicht reagiert wurde, sondern daß seither auch nichts geschehen ist, um dieses Verhältnis zu den Medien von seiten der Politik neu zu definieren.

Ich erinnere daran, daß wir nicht nur die Variante Leitgeb zu diskutieren haben, sondern daß wir als Politiker möglicherweise auch die Variante "Hürriyet" zu diskutieren haben. Die Tageszeitung "Hürriyet" hat vor wenigen Monaten eine Inselbesetzung gemacht und damit einen starken Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei heraufbeschworen. Es wurde von der Zeitung "Hürriyet" in der Ägäis eine Insel besetzt, und dann wurde erklärt, indem man die türkische Fahne dort aufgezogen hat: Das ist jetzt Bestandteil der Türkei. Dann ist man hingefahren, hat nicht über die Printmedien, sondern über die zum "Hürriyet"-Konzern gehörigen TV-Medien das abgefilmt, worauf natürlich der politische Konflikt eskaliert ist.

Das ist eine Möglichkeit, wie Politik betrieben wird. Und ich sage Ihnen: So drastisch das am Beispiel "Hürriyet" auch charakterisiert wird – so weit sind wir davon nicht weg. Wir haben in Österreich die Wahl zwischen "Hürriyet" und der Variante Leitgeb.

Meine Damen und Herren! Wenn wir hier nicht dieses Verhältnis definieren – und da geht es nicht darum, was in der Macht und in der Verantwortung von Redakteuren liegt –, wenn wir hier nicht als selbstbewußte Partner und nicht als solche, die den Medien hineinregieren wollen, den Medien gegenübertreten, wenn wir hier nicht klare Bedingungen schaffen, wenn wir hier nicht für kartellrechtliche Entflechtungen eintreten, wenn wir hier nicht – und da bin ich durchaus Ihrer Meinung, Herr Kollege Krüger – auch für klare Redaktionsstatuten, für die Autonomie von Redakteuren eintreten, wenn wir hier nicht eine Presseförderung entwickeln und betreiben, die diesen Namen verdient, die eine Presseförderung sein kann und sein muß, die die Medienvielfalt entwickelt – und das kann man bei der bestehenden Presseförderung nicht sagen –, wenn wir all diese Maßnahmen nicht setzen, dann werden wir in wenigen Jahren möglicherweise tatsächlich über "Hürriyet" und über Leitgeb ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... dann werden wir in wenigen Jahren tatsächlich über "Hürriyet" oder das Beispiel Leitgeb ernsthaft weiterdiskutieren müssen. (Beifall bei den Grünen.)

19.10


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