Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 175

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sich seine Versicherung selbst auszusuchen. Es ist zunächst schon bemerkenswert, daß man mit psychisch und chronisch Kranken wie mit Verbrauchsgütern umgehen will. Das ist nicht meine Denkungsart, aber es bleibt jedem unbenommen, so zu denken.

Ich weiß schon, auf den ersten Blick klingt das nach ein bißchen mehr Freiheit – mehr Vertragsfreiheit, mehr Möglichkeiten für den Versicherten, mehr Wahlmöglichkeiten für den Konsumenten –, aber bei näherem Hinsehen stellt man fest, daß das eine sehr trügerische Freiheit ist, die man hier einräumen möchte, denn im System des Wettbewerbs zwischen den Kassen kann nämlich die Solidarität – sie ist das tragende Prinzip der Krankenversicherung – allzu leicht unter die Räder kommen.

Schauen Sie sich doch bitte Beispiele an, wie in der Schweiz mit den sogenannten "schlechten Risken" umgegangen wird, wie man dort – das belegen sehr ernsthafte Studien – mit einer gewissen Unverfrorenheit und auch durch bürokratische Schikanen gelegentlich den sogenannten "schlechten Risken" nahelegt, sich doch eine andere Versicherung zu suchen.

Bei diesem Forcieren des Wettbewerbsgedankens geht man auch immer davon aus, daß mehr Wettbewerb dazu führen würde, daß diese Versicherungen billiger werden. Sehen Sie sich doch bitte einmal den Verwaltungsaufwand der sozialen Krankenversicherung an, und sehen Sie sich einmal den Verwaltungsaufwand der privaten Krankenversicherung an! Sie müssen doch feststellen, daß es hier einen Riesenunterschied gibt, und zwar einen Riesenvorteil zugunsten der sozialen Krankenversicherung. Wirtschaftliche Gründe können also niemals ein Argument für eine Wahlfreiheit zwischen den Krankenversicherungsträgern sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ganz klar: Wenn eine Krankenversicherung so wie eine private Versicherung gezwungen ist, Kundenfang und Kundenwerbung zu betreiben, dann wird sie erhebliche Mittel investieren müssen. Marketing, Werbung, Kundenkeilen – all das kostet jede Menge Geld. Lesen Sie doch bitte auch die Artikel aus Deutschland, aus der Schweiz, wo die Versicherten mit allem möglichen Werbeplunder überschwemmt werden. 12jährigen werden Bauchtanzkurse finanziert, um die Eltern dieser Kinder bei Laune und bei der Stange zu halten; deutsche Krankenversicherer investieren Millionen in Dressenwerbung bei Fußballvereinen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das kann doch nicht sinnvoll, all das kann doch nicht erstrebenswert sein.

Ich glaube und ich behaupte – und ich kann das auch belegen –: Wir sind mit unserem bisherigen System der sozialen Krankenversicherung gut gefahren, und es wäre unsinnig, etwas Gutes durch etwas Schlechteres zu ersetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch der Sozialminister hat es Ihnen schon mehrmals gesagt: Sie reden immer wieder davon und wiederholen das mit gebetsmühlenhafter Monotonie, daß man diese Krankenversicherungen zusammenlegen müsse. Häusermann, ein renommiertes Schweizer Betriebsberatungsunternehmen – eine wahrhaft glaubwürdige und unbedenkliche Adresse –, hat es festgestellt: Hier ist nichts zu gewinnen. Einen Satz, den diese Häusermann-Studie sozusagen als Resümee enthält, sollten wir uns alle ins Stammbuch schreiben, insbesondere Sie als ständige Kritiker dieser sozialen Krankenversicherungen: Die Österreicherinnen und Österreicher können durchaus stolz sein auf ihr System der Krankenversicherung. – Das haben diese nüchternen Eidgenossen resümierend geschrieben. – Wir sind stolz auf unser System! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte. (Ein Klubmitarbeiter stellt einen Rollstuhl neben dem Rednerpult ab.)

20.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Guggenberger! Also so selbstverständlich war für mich nicht zu ersehen, daß der Sozialminister unseren Kritikpunkten nachgehen wird, sondern ganz im Gegenteil. Ich war anfänglich eigentlich empört darüber, daß er überhaupt keine Anstalten machte, unsere Kritik ernst zu nehmen. Und dann ist die Frau Reitsamer gefolgt, die sogar davon gesprochen hat,


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