Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 129

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19.00

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler er ist uns leider schon abhanden gekommen – ist mit uns wieder einmal sehr hart ins Gericht gegangen: Er hat die Begriffe "Wahrheit", "Seriosität", "Ehrlichkeit" strapaziert, hat uns das alles aberkannt und abgesprochen. Ich für meine Person kann Ihnen sagen – vielleicht kann man das dem Herr Bundeskanzler ausrichten oder er liest es im Protokoll nach –: Seit ich seine Aussagen anläßlich der Wahlauseinandersetzungen und der EU-Abstimmung überdacht habe, fällt es mir schwer, seine Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit nicht anzuzweifeln; es ist aber sein gutes Recht, es selbst nicht zu leben, es bei anderen aber zu urgieren.

Während des Redebeitrages des Herrn Kollegen Cap habe ich mir heute gedacht, es wird Zeit, daß er den Herrn Muliar ablöst. Er wäre ein würdiger Nachfolger von ihm. Aber wissen Sie, meine Damen und Herren: In einer Situation, in der es eine sehr hohe Arbeitslosenquote gibt, in einer Situation, in der aus budgetären Gründen Behinderten das Taschengeld um die Hälfte gekürzt wird – von 1 100 S auf 550 S –, und in einer Zeit, in der es einen Firmencrash nach dem anderen gibt – heuer ist die Zahl der Pleiten schon höher als voriges Jahr –, in einer solchen Zeit ist mir nicht zum Lachen zumute. Wenn es Ihnen von der linken Reichshälfte, wenn es Ihnen Sozialdemokraten nach Theater, gelüstet und zum Lachen zumute ist, dann lachen Sie nur! Ich finde Ihre Vorgangsweise beschämend und traurig, und das muß ich Ihnen mitteilen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zu dem Pfusch, den Sie hier vorgelegt haben und den Sie hier heute beschließen wollen, kann ich nur folgendes sagen: Lesen Sie den "Kurier" von morgen! Herr Kollege Löschnak, den ich für einen sehr seriösen Mann halte, hat richtig festgestellt, daß das neue Bezügegesetz nicht den Titel "Reform" verdient und die Probleme damit nicht gelöst werden. Ich freue mich, daß es – Gott sein Dank – auch in Ihren Reihen noch Abgeordnete gibt, die an die Dinge so herangehen, wie ein verantwortungsbewußter Parlamentarier das tun sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Landeshauptmann Purtscher richtete Ihnen ja über die Medien aus, daß er nicht unglücklich wäre, wenn heute die erforderliche Mehrheit nicht zustande käme. Meine Herren von der ÖVP! Sie sollten darüber nachdenken. Herr Purtscher ist wohl noch immer ein kompetenter Politiker in Ihren Reihen. Es gibt schon sehr wenige wahre Persönlichkeiten in Ihren Reihen; Herrn Purtscher zähle ich noch dazu. Er wird schon wissen, warum er Sie ersucht, zu überdenken, ob Sie da wirklich zustimmen können.

Wenn Sie sich beispielsweise die Zusammensetzung des Parlamentsklubs der Sozialdemokraten anschauen, dann können Sie feststellen, daß von 71 Parlamentariern 36 Parlamentarier im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Wenn Sie diese Fehlentwicklung noch weiter verfolgen und den gesamten geschützten Bereich ausloten, dann sehen Sie, daß 75 Prozent Ihrer Abgeordneten aus dem geschützten Bereich stammen. Sie wissen wahrscheinlich mittlerweile, warum das so ist, warum Sie Arbeiter oder Angestellte aus der Privatwirtschaft nicht in Ihren Reihen haben oder warum sie nicht so präsent sind, wie es aufgrund Ihrer Stärke sein müßte. Sie wissen, warum der Bauer, der Kleingewerbetreibende, der Industrielle fast nicht die Möglichkeit hat, im Nationalrat tätig zu sein: Nur aufgrund dieser von Ihnen eingeleiteten Fehlentwicklung, die 20 Jahre hindurch prolongiert wurde, die Sie als den Weg für die Zukunft propagieren! Wollen Sie denn nur mehr unter sich sitzen? Wollen Sie denn nur mehr öffentlich Bedienstete, wollen Sie nur mehr Leute aus geschützten Bereichen in Ihren Reihen haben? Denken Sie überhaupt nicht daran, daß ein Arbeiter, ein Angestellter, ein Freiberufler, ein Unternehmer dasselbe Recht hat, im Parlament die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen. Ist Ihnen jegliches Gefühl dafür völlig abhanden gekommen? Das ist doch unwahrscheinlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die Kollegin Ederer, die, wie ich meine, doch ein etwas gestörtes Verhältnis zur Betriebswirtschaft hat, immer wieder kundtut, daß die wirtschaftlichen Lösungen, die immer wieder angestrebt werden, korrekt und anständig sind, und wenn sie dann sogar weit geht, daß sie der Opposition den Vorwurf dafür macht, daß Sie von der Regierung 20 Jahre im Verzug sind und die Gesetze nicht geändert haben, dann muß ich sagen: Ich verstehe die Welt nicht mehr! Sie sind doch am Zug, Sie sind die Koalitionsregierung, Sie müssen die Gesetze beschließen, Sie


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