Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 191

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das Recht auf das Verlangen nach Einberufung einer Sondersitzung. Die 19 übrigen nützen überhaupt nichts mehr. Das heißt, ich halte fest: Eine Fraktion, die theoretisch – das ist ja eine Hypothese – 39 Abgeordnete hat, kann im Jahr eine einzige Sondersitzung beantragen, also genauso viel wie eine Fraktion, die etwa aus fünf Abgeordneten – die Untergrenze des Klubs – besteht.

Herr Präsident Fischer! Ich bin wirklich gespannt darauf, welche Worte der Begründung Sie dafür finden werden, daß die Rechte zur Einberufung einer Sondersitzung gleich gelagert sind, egal, ob fünf Abgeordnete in einem Klub zusammengefaßt sind und eine Sondersitzung beantragen oder 39 Abgeordnete. Darauf bin ich schon sehr gespannt, wie die Begründung lauten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, daß sich die Liberalen und die Grünen dazu durchgerungen haben, in Aufwertung ihrer Minderheitenrechte zu Lasten der freiheitlichen Opposition diesem Anschlag auf den Parlamentarismus noch Vorschub zu leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Sie da und dort als Blinddarm oder als Appendix der Regierungsparteien, vielmehr der sozialdemokratischen Regierungspartei bezeichnet werden. Ich habe nur so gestaunt, denn offensichtlich hat Herr Kollege Wabl diese Begriffe wie Appendix und Blinddarm bereits so stark verinnerlicht, daß er allen Ernstes selber schon von Appendix-Parteien hier in diesem Hohen – gemeint sind damit seine eigene Partei und die Liberalen – gesprochen hat. Aber ich darf Ihnen eines sagen: Ich glaube, wenn Sie so weitermachen und sich so offenkundig – ich möchte fast sagen: plump – in ein Boot mit der Sozialdemokratischen Partei hineinsetzen, daß dieser Blinddarm der Gefahr einer Entzündung ausgesetzt ist, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen aus der Medizin sehr genau, daß jede Blinddarmentzündung gleichfalls die Gefahr eines Blinddarmdurchbruches nach sich ziehen kann. Von der bildhaften Sprache der Medizin umgesetzt in die politische Realität heißt das dann mit anderen Worten, daß Sie das Ergebnis bei den Wahlen sehr stark in dieser Richtung verspüren werden. Aber das sei Ihnen wirklich vergönnt!

Wer hier im Gleichschritt mit den Mächtigen in diesem Land, wer hier im Gleichschritt mit der SPÖ eine Geschäftsordnungsreform schafft, eine Geschäftsordnungsreform befürwortet, sich dann noch stolz ins Fernsehen setzt und eine gemeinsame Pressekonferenz der sogenannten Viererbande ermöglicht – bitte stoßen Sie sich nicht an diesem Begriff, denn Bande ist ja nichts anderes, als daß man sich verbindet, und Sie haben sich ja sehr stark verbunden (Abg. Dr. Nowotny: Ein Sophist!) –, wer so einer Beschneidung der freiheitlichen Opposition oder überhaupt der Opposition Rechnung trägt, nur um sich den einen oder anderen Judaslohn einräumen zu lassen, den wird der Wähler bestrafen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Was ist das für eine Sprache? Das ist Ihre Sprache! – Abg. Dr. Mertel: Pharisäer! – Abg. Dr. Karlsson: Pharisäer und Schriftgelehrter! – Abg. Mag. Stadler: Dann sind Sie eine Quäkerin! – Abg. Dr. Karlsson: Lieber Quäker als Pharisäer! Aber seien Sie nicht so schmissig! Man sieht es Ihnen eh an! Schmissig kann man ja sagen? Oder? – Abg. Dr. Nowotny: Der fühlt sich noch geschmeichelt!)

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte sehr.

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Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Werter Herr Präsident! Hohes Haus! Im Jahr 1897, also vor 99 Jahren, erreichte die Parlamentskrise, die seit mehr als einem halben Jahr das gesamte innenpolitische Leben des cisleithanischen Teils der österreich-ungarischen Monarchie lahmgelegt hatte, ihren Höhepunkt und führte zu gewalttätigen Unruhen, die tiefe Spuren in der österreichischen Gesellschaft hinterlassen haben. (Abg. Dr. Mertel: Was ist das jetzt? Geisterstunde ist jetzt!) Ausgelöst wurde diese Parlamentskrise damals durch jahrelang ausgeübte Obstruktion als parlamentarisches Instrument, und diese Obstruktion eskalierte.

Generell verstand man damals und auch heute noch unter Obstruktion das Verhalten einer Minderheit in einem parlamentarischen Vertretungskörper, die unter formeller Ausnützung aller dazu


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