Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 75

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Herr Bundesminister! Sie haben uns am 10. Juli über den "Standard" wissen lassen, daß Sie ein neues Arbeitszeitgesetz im August zur Begutachtung ausschicken werden. Ich bin schon sehr gespannt darauf. Sie haben darüber hinaus noch zu Protokoll gegeben: "Hums will in Zukunft verstärkt Jahresarbeitszeitmodelle ermöglichen. Dafür soll das Arbeitszeitgesetz den einzelnen Branchen Freiräume geben, die im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen genutzt werden sollten." – Ein kluger Satz, Herr Bundesminister. So weit, so gut.

Nur eine Frage: Warum tun Sie das nicht, was Sie sagen? Sie legen hier ein Bäckereiarbeiter/innengesetz vor, das genau das Gegenteil ist von der Aussage, die Sie machen. Sie legen hier einen Gesetzentwurf vor, der nicht einen Rahmen für die Arbeit schafft, der dann durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarungen ausgefüllt werden kann. Nein: Sie reglementieren in alter sozialpartnerschaftlicher Manier von oben herab, mit der großen Weisheit derer, die wissen, wie es überall in der Wirtschaft zugeht, bis in die kleinsten Bereiche.

Lieber Herr Bundesminister! Das ist die falsche Politik! Woher nehmen Sie denn – fast möchte ich sagen die Anmaßung – zu meinen, daß Sie wissen, wie Bäckereibetriebe von Wien bis Vorarlberg funktionieren, deren Arbeit Sie in diesem Bäckereiarbeiter/innengesetz auf Punkt, Beistrich und Komma normieren. Das beginnt schon bei der Einleitung in diesem Gesetz, in der Sie versuchen, krampfhaft festzuhalten, wann denn einer – Gott behüte! – Backwaren erzeugen darf und wann nicht. Wenn einer zum Beispiel neben seiner Bäckerei auch noch ein Gastgewerbe hat, dann gilt für ihn das Gesetz nicht. Also müssen alle Bäcker, die am Sonntag frische Semmel erzeugen wollen, noch geschwind ein Gastgewerbe anmelden.

Merken Sie nicht, Herr Bundesminister, in welchem Filz von Verordnungen, in welchem Filz von Umgehungshandlungen Sie sich mit Ihren gesetzlichen Maßnahmen letztlich verheddern.

Sie normieren dann in diesem Gesetz – wenn man es liest, glaubt man es gar nicht – noch die Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe. Sie haben noch wahrlich die Stirn, in Ihre Regierungsvorlage, in ein Bundesgesetz dieser Republik, Herr Bundesminister, hineinzuschreiben, welche Arbeiten am Wochenende und Feiertagen ein Mitarbeiter verrichten darf. Die Wirtschaftskammer wird diesem Gesetz – Gott sei es geklagt! – in trauter sozialpartnerschaftlicher Gemeinsamkeit zustimmen.

Das heißt also, es geht Ihnen nicht darum, ob ein Mitarbeiter am Wochenende oder am Feiertag arbeiten muß, nein, Ihr kollektives Glück geht ja noch viel weiter. Sie schreiben ihm noch vor, was er tun darf, wenn er schon am Wochenende arbeitet, und was er nicht tun darf, wenn er am Wochenende arbeitet. Wissen Sie: Dieses Gesetz wird in der Europäischen Union, wann immer es dort gelesen wird, in 14 anderen Staaten homerisches Gelächter erzeugen; homerisches Gelächter über eine Bundesregierung, über eine Sozialpartnerschaft, die wirklich glaubt, in Bundesgesetzen bis hinein in die kleinsten Bereiche die Betätigung der Betriebe regeln zu können.

Wissen Sie, Herr Bundesminister, was Sie damit erreichen werden? – Sie werden damit einen großen Beitrag zum Bäckersterben leisten, aber auch die Wirtschaftskammer mit, die das mitbeschließt. Denn der kleine Bäcker, Herr Stummvoll, lebt davon, daß er flexibel sein kann, daß er auf Marktbedürfnisse reagiert, und Sie treiben uns Nachfrager von Bäckereiprodukten in die Bäckereiindustrie. Wir bekommen die Öfen von Resch & Frisch, wir kaufen uns die Backwaren nicht mehr beim örtlichen Bäcker. Wir kaufen sie uns bei Resch & Frisch, wo wir sie dann, wenn unsere Gäste frische Backwaren haben wollen, nicht dann, wenn Ihr Gesetz es erlaubt, selbst zubereiten. Da können Sie uns Gott sei Dank nicht hineinreglementieren. Leid tut es mir nur, Herr Stummvoll, um die Kultur des österreichischen Bäckergewerbes. (Abg. Dr. Stummvoll: Was ist Ihr konkreter Vorschlag?)

Der konkrete Vorschlag ist, daß Sie den Mut haben, Herr Stummvoll, ein Arbeitszeitgesetz in Österreich zu machen, das für alle Branchen gilt, und daß Sie dann auf kollektivvertraglicher Ebene und auf der Ebene der Betriebsvereinbarungen definieren, wie der Branchenrahmen ausschaut, und daß die Gewerkschaften endlich einmal lernen, daß ihre neue Aufgabe der Zukunft die Beratung der Betriebsräte ist. Das Traurige daran ist, daß Sie Ihren eigenen Betriebsräten


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