Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 164

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Meine Damen und Herren! Es gibt einen kleinen Unterschied: Hier in diesem Haus sitzen Volksvertreterinnen und Volksvertreter, die über eine wichtige Frage der österreichischen Sicherheitspolitik diskutieren und ihre Meinung austauschen. Aber seit wann ist die österreichische Bundesregierung ein Diskutierklub? Bundeskanzler Vranitzky hat hier deutlich klargelegt: Grundsätzliche Positionen – so war seine Antwort – werden nicht von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung, sondern von der Bundesregierung insgesamt festgelegt.

Herr Kollege Schieder! Ich verstehe Ihre Verärgerung über die Ausritte vom Fasslabend auf dem Militärroß in Richtung NATO. Aber Sie sollten doch einmal ein ernstes Wort mit ihrem Partei- und Regierungschef reden und ihm sagen, daß er in der Bundesregierung verpflichtet ist, eine klare politische Linie zu erarbeiten, die nach außen präsentiert wird.

Es ist nicht die Frage, ob Herr Fasslabend in Diskussionsrunden nicht auch über die Fragen NATO-Beitritt und Neutralität diskutieren kann, sondern die Frage ist, ob ein Regierungsmitglied bei offiziellen Anlässen im In- und Ausland klar die Position vertritt, daß Österreich am besten der NATO beitreten sollte, weil das die billigste sicherheitspolitische Lösung ist. Und der österreichische Regierungschef ist nicht in der Lage, die Meinungen zu koordinieren und in der Öffentlichkeit ein klares Bild der österreichischen Regierung darzulegen. Das ist das Problem, mit dem wir hier in diesem Parlament zu kämpfen haben, und der Grund dafür, daß diese Diskussion so notwendig ist.

Der Herr Bundeskanzler sollte mit Ihnen einmal einige Beratungsstunden durchführen, in denen Sie ihn beraten, vor allem auch Herrn Bundesminister Fasslabend. Daß Kollege Scheibner am liebsten in die NATO ginge, weil er auch der Meinung ist, daß die Rüstungsindustrie ordentlich angekurbelt werden muß, so wie Herr Moser das auch meint – den ideologischen Über- oder Unterbau dafür liefert Kollege Frischenschlager, der weiß, wie man das macht –, ist zulässig. Es ist aber nicht zulässig, daß die österreichische Bundesregierung nicht in der Lage ist, eine klare Meinung und eine klare Haltung in dieser Frage einzunehmen.

Man fragt sich: Wem nützt diese Unklarheit? Der Lateiner sagt: Cui bonum? Wem nützt sie? (Abg. Dr. Haselsteiner: Wie sagt er? – Abg. Schieder: "Cui bono"?!) Ja, ist schon klar, Herr Kollege Schieder, ich danke Ihnen, in Latein war ich immer bestens. Meine Damen und Herren! Die Frage ist: Wem nützt es? Die SPÖ hat eine hervorragende Haltung und wird deshalb ... (Abg. Dr. Haselsteiner: "bonum" oder "bonus"?) Bei Ihnen heißt es immer "Bonus", das ist klar. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Haselsteiner: Dafür bin ich zu gewinnen!)

Die Sozialdemokraten haben eine sehr vernünftige Haltung eingenommen im Sinne der Maximierung von Stimmengewinnen. Die SPÖ weiß ganz genau, daß laut Meinungsumfragen innerhalb der österreichischen Bevölkerung eine klare Mehrheit für die Neutralität gegeben ist, deshalb nimmt sie eine vorsichtige Position ein, insbesondere Kollege Schieder mit seiner Haltung. Der Herr Bundeskanzler weiß natürlich, daß möglicherweise auch Wählerinnen und Wähler von einer anderen Seite zu gewinnen sind, und deshalb begnügt er sich mit dieser sehr schwammigen Haltung.

Meine Damen und Herren! Dieses Spiel ist durchschaubar: Sie wollen bei den Europawahlen punkten, Sie wollen am 13. Oktober punkten, und Sie wollen gleichzeitig Ihre politische Reputation vollinhaltlich halten. – Das geht nicht, Herr Kollege Schieder. Diesbezüglich hat Kollege Frischenschlager recht, und deshalb haben wir auch diese dringliche Anfrage eingebracht, Sie sollen nämlich eine klare Position beziehen! Das ist die Aufgabe der Exekutive, der österreichischen Bundesregierung!

Kollege Kier hat hier von Mut gesprochen. Er hat sicher nicht "Mut" wie "Moser" gemeint. Aber eines sollten Sie, Herr Kollege Kier, vielleicht auch bedenken: Selbstverständlich kann man verschiedene Positionen in der Sicherheitspolitik hinterfragen, sei es die militärische, die neutralitätspolitische oder auch die pazifistische. Sie sollten aber zur Kenntnis nehmen: Gerade in Krisensituationen und in Umbruchsituationen kann ein Staat oder eine Gruppe, die eine neutrale Haltung einnimmt, insbesondere ein Land, welches so lange Erfahrungen hat auf diesem


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