Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 203

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Herr Wirtschaftsminister! Sie haben also einen wirklichen Augiasstall auszuräumen. Die Staatsverschuldung ist entglitten, die Reglementierung und Belastungswelle ist entglitten, und das Sparpaket ist wirklich – und das bedaure ich besonders – eben nur eine Geldbeschaffungsaktion ohne strukturreformierende Faktoren.

Diese deutliche Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes führt natürlich für die, die nicht auslagern können – das sind die Klein- und Mittelbetriebe – zu einer Verschlechterung ihrer Ertragssituation, und für die, die nicht rationalisieren können, nämlich die Dienstleistungsbetriebe, wird es schön langsam dramatisch. Liebe Frau Präsidentin Tichy-Schreder! Zu glauben, man brauche jetzt nur ein Klein- und Mittelbetriebefördergesetz zu beschließen und hätte damit ein Feigenblatt, um sagen zu können: Seht her! Ich tue was für die kleinen und mittleren Unternehmungen!, das ist wirklich – in aller Bescheidenheit – naiv. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Frau Präsidentin Tichy-Schreder! Dieses Gesetz schadet nicht, es schadet wirklich nicht, es richtet kein Unheil an, aber nützen tut’s auch nicht. Allein das, was Sie hier im Hohen Haus an bürokratischer, reglementierender Umsetzung einer sinnvollen EU-Vorschrift beschlossen haben – Sie wissen, was ich meine, das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz –, kostet die österreichische Wirtschaft ein vielfaches: das Zehn-, Zwanzig-, Dreißig-, Vierzig-, Fünfzigfache von dem, was ein Förderungsgesetz für kleine und mittlere Unternehmungen, das Sie hier vorlegen, möglicherweise bringt. (Abg. Haigermoser: So vernichtet man Arbeitsplätze!)

Es wäre in Wirklichkeit so einfach: Sie müßten nur das tun, was in der Regierungserklärung Ihres Bundeskanzlers steht, und da steht etwas ganz anderes drinnen als das, was Sie uns hier das ganze Jahr 1995 in der XX. Gesetzgebungsperiode vorlegen. Herr Feurstein! Deregulieren hieße Kosten sparen, aber das geht halt nicht, wenn man überall hineinreglementieren will, wenn man alles genau reglementieren will, bis ins Kleinste hinein, wenn man doch so weise ist, in der Sozialpartnerschaft alles zu wissen, wie es geht – dann kann man nicht Kosten sparen. Herr Präsident Verzetnitsch! Flexibilisieren hieße die Produktivität erhöhen, man muß sich diesen Herausforderungen stellen. (Abg. Verzetnitsch: Ich höre gerne andere Vorschläge zur Arbeitszeit!)

Ich freue mich sehr. Der Herr Sozialminister, mit dem wir gestern debattieren durften, wird Vorschläge bringen. Ich freue mich auf Ihre Vorschläge. Hoffentlich kommen wir in dem Thema weiter. Wir müssen produktiver werden im Sinne unserer Mitarbeiter. (Abg. Dr. Feurstein: Am Beispiel Bauarbeiter!)

Solange Sie über Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassen reden, Herr Feurstein, haben Sie nicht verstanden, was Deregulierung ist. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn Sie glauben, daß Fonds eine Deregulierung sind, wenn Sie glauben, daß Sie Lehrlingsprobleme über Berufsausbildungsfonds lösen können, dann haben Sie nicht verstanden, was Deregulierung ist. Sie schaffen immer neue Regulierungen.

Ich hoffe, daß die Bundesregierung bald zur Regierungserklärung zurückkehrt und das tut, was drinnen steht. Dieses Klein- und Mittelbetriebförderungsgesetz ist wirklich eine Alibiaktion, und Sie werden verstehen, daß ich da nicht zustimmen kann. (Abg. Haigermoser: Frau Tichy-Schreder ist müde und wieder nicht im Saal!) Naja, es wird ihr halt auf die Nerven gegangen sein, was ich sage, aber das kann ich ja nicht verhindern.

Zweites Thema, das mir viel wichtiger ist, und vielleicht können wir uns noch 5 oder 6 Minuten wirklich konzentrieren: die Lehrlingsausbildung – ein ganz, ganz zentrales Thema dieses Landes. Ich halte es für dramatisch, daß es immer weniger Lehrbetriebe und immer weniger Lehrstellen gibt. (Abg. Tychtl: Warum?) Ich halte es für dramatisch, daß mein Unternehmen, das jetzt über zwei Jahrzehnte lang immer deutlich über 20 bis 25 Lehrlinge ausgebildet hat, im heurigen Jahr auf 18 zurückgeht und im Jahre 1997 auf 15 zurückgehen wird. Warum? – Das ist die ganz wesentliche Frage.

Das Faß ist übergelaufen. Sie können viele Dinge beschließen, und jede Einzelmaßnahme spielt keine so große Rolle. Aber irgendwann einmal kommt der Moment, vor allem in Zeiten des


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