Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 229

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Konsens in der Ausbildungsfrage, in der Lehrlingsfrage erzielen, und diesen Konsens werden wir beim Gesetz anstreben. Heute beschließen wir die Entschließung, aber ich werde noch präzisieren, wie wir das auslegen.

Herr Präsident! Eines muß man sehr deutlich sagen – und ich möchte das wirklich bewußt sagen –: In Ihrer Rede schwang schon sehr deutlich mit, daß Ihr Patentrezept die Lehrwerkstätten sind (Abg. Verzetnitsch: Überhaupt nicht!) beziehungsweise neue finanzielle Belastungen für die Betriebe. Das kann es nicht sein, und das wird es nicht sein! Unter diesen Voraussetzungen werden wir einem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Blünegger. )

Meine Damen und Herren! Seien wir einmal ehrlich: Die Lehrlingsausbildung wird immer teurer, die Kosten sind zu hoch. Eine Studie der TU Wien besagt, daß die Nettokosten der Lehrlingsausbildung – das sind die Bruttokosten minus der Leistung, die Lehrlinge erbringen – pro Jahr 6 Milliarden Schilling ausmachen. Diese Summe investieren die Betriebe allein netto und als Saldo in die Lehrlingsausbildung.

Jetzt sagen die Betriebe: Wir brauchen eine kleine Entlastung, beispielsweise durch den Entfall des Krankenversicherungsbeitrages im ersten und zweiten Lehrjahr. Einwand: Dazu ist kein Geld da! Entschließt sich der junge Mensch aber, keine Berufsausbildung zu machen, sondern in die Schule zu gehen, ist er automatisch mitversichert und es fallen keine Beiträge an. Auch das kostet den Staat etwas!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen signalisieren, daß uns insgesamt als Gesellschaft, als Staat, als Gemeinschaft die Lehrlingsausbildung etwas wert ist. Die Belastungen sollen nicht einseitig nur auf die Unternehmer und die Betriebe abgewälzt werden. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Blünegger. )

Wir müssen auch wissen – und das möchte ich auch sehr deutlich sagen –, was wir unter Lastenausgleich verstehen. Wir verstehen unter Lastenausgleich – ich möchte das sehr, sehr deutlich sagen –, daß es eine Aufgabe unserer Gesellschaft ist, in das Humankapital, in die jungen Menschen und ihre Ausbildung zu investieren. Lastenausgleich kann nur dadurch erfolgen, daß jene Betriebe, die sich diese Mühe machen, aus dieser Verantwortung heraus agieren, über die Steuer in Form eines Lehrlingsfreibetrags einen Lastenausgleich bekommen. Damit erbringen alle eine Solidarleistung, nicht nur die Betriebe. Da sind wir alle gefordert. Machen wir uns es nicht so leicht und schieben wir nicht immer neue Lasten nur auf die Betriebe ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch eines sehr deutlich sagen: Wir werden ohne flankierende Maßnahmen im Arbeitsrecht und ohne Garantie einer Mindestausbildungszeit im Betrieb das Problem nicht lösen können. Wir verlangen eine Mindestausbildungszeit im Betrieb, denn sonst ist auf Dauer das duale System nicht zu halten. Es geht nicht an, daß die Lehrlinge immer weniger Zeit im Betrieb verbringen. Unsere unabdingbare Voraussetzung einer Konsenslösung ist: Die Mindestausbildungszeit im Betrieb muß sichergestellt sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch folgendes sehr deutlich sagen – ich sage es bewußt ein bißchen pointiert: Was die arbeitsrechtlichen Bestimmungen betrifft, werden wir das Problem nicht lösen, wenn wir in Konstruktionen denken, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Intentionen im Invalideneinstellungsgesetz haben, so gleichsam nach der Methode: Wer nicht einstellt, bezahlt eine Strafe!

Mit dieser Konzeption werden wir das Problem nicht lösen können! Ich möchte das heute schon sehr deutlich sagen, damit nicht manche von Ihnen mit Illusionen in die Verhandlungen über das neue Gesetz gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluß noch eines: Meine Damen und Herren! Wir können die Frage der Lehrlingsausbildung vom Thema einer Schulreform, einer Reform der Pflichtschule nicht abkoppeln. Wenn heute in Betrieben – ich kenne solche – Prokuristen, Direktoren und Führungskräfte den Lehrlingen während der Arbeitszeit Nachhilfeunterricht in Rechtschreiben, Deutsch und Rechnen geben müssen, dann ist das eine Herausforderung an die Pflichtschule. Wir müssen durch Schul


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