Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 70

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Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt aller unserer politischen Überlegungen muß immer wieder das Thema Arbeit stehen, da nur sinnvolle Arbeit den Wohlstand schafft, der unsere Gesellschaft auszeichnet und auf den wir auch stolz sind. Arbeit ist sicherlich nicht durch die Abgabe von Arbeitsplatzgarantien oder durch einen Subventionsautomatismus zu erreichen. Arbeit muß immer wieder neu geschaffen werden und die Politik muß das Umfeld und die Bedingungen dafür bereitstellen, weil ja selbstverständlich ist, daß die konkrete Umsetzung von Programmen beziehungsweise die konkrete Schaffung von Arbeitsplätzen in den Betrieben, in den Unternehmungen vor sich geht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Werfen wir einen Blick auf die Arbeitsmarktdaten: Sie zeigen per Mitte September einen moderaten Rückgang der Arbeitslosigkeit verglichen mit August dieses Jahres. Mit einer Arbeitslosenrate von 4,1 Prozent liegt Österreich im Vergleich mit den Industriestaaten der Welt, also der OECD-Staaten, nach wie vor an ausgezeichneter dritter Stelle hinter Luxemburg mit 3,1 Prozent und Japan mit 3,4 Prozent.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie zu einer Überlegung ein, die die gute Ausgangslage Österreichs belegt. Das "Job-Wunderland", die Vereinigten Staaten von Amerika, wird als ein solches gepriesen, liegt aber mit einer Arbeitslosenrate von 5,4 Prozent deutlich schlechter als Österreich.

All das ist angesichts der derzeit 190 000 arbeitslosen Menschen in unserem Land aber kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen. Die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage ist das Ergebnis der Kombination verschiedener Faktoren. Es ist zunächst sicherlich der dramatische Rückgang der Höhe des Wirtschaftswachstums seit den siebziger Jahren anzuführen, wie auch eine schwache Dynamik der realwirtschaftlichen Investitionen und last but not least die instabile Konjunkturentwicklung.

Die in ganz Europa – in Österreich viel weniger – angestiegene Arbeitslosigkeit hat sehr viele unterschiedliche Ursachen. Daraus folgt, daß auch die Wirtschaftspolitik zu ihrer Bekämpfung eine Vielzahl von Instrumenten einzusetzen und auf allen Ebenen verantwortungsvoll zu agieren hat.

Die Klarstellung, daß die österreichische Arbeitslosenrate weniger als die Hälfte des Durchschnitts der Europäischen Unionsstaaten beträgt, ist deswegen wichtig, weil ja aus verschiedenen Motiven, gelegentlich aufgrund von Irrtümern, gelegentlich aufgrund durchsichtiger politischer Motive, auch bei uns immer wieder Patentrezepte propagiert werden, die in anderen Ländern versagt haben und auch in Österreich zu einer Verschlechterung der Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitsmarktsituation führen würden.

Beschäftigungspolitische Strategien, die darin bestehen, etwa durch Lohnsenkungen generell oder durch Sozialdumping oder durch Umweltdumping Vorteile zu erzielen, erteile ich daher einmal mehr eine klare Absage, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht Österreichs prinzipielle Strategie werden, mit Billiglohnländern über die Arbeitskosten zu konkurrieren. Gerade angesichts der besseren Situation auf unserem Arbeitsmarkt darf diese relativ bessere Situation auch nicht durch wirtschaftspolitische Experimente aufs Spiel gesetzt werden. Mir kommt es demgegenüber vor allem darauf an, aus der Vielzahl der diskutierten Vorschläge die für Österreich wirklich brauchbaren rasch umzusetzen und die Umsetzung bereits in Angriff genommener Maßnahmen zu beschleunigen.

Meine Damen und Herren! Ich habe einleitend gemeint, daß all die großen Umstellungen nicht ohne Schwierigkeiten und nicht ohne Härten ablaufen. Mit dem Verkauf einer großen Lebensmittelkette und dem stark disputierten Verhalten der deutschen Eigentümer der Firma Semperit hat sich in Österreich in gewisser Hinsicht ein Stimmungsklima ergeben, das durch das Wort "Ausverkauf" ausgedrückt wird. Diese Stimmung ist vorwiegend emotional begründet. Ich nehme sie trotzdem sehr ernst, halte aber folgendes entgegen:


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