Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 174

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Gerade heute nachmittag hatten wir Gelegenheit, den einen oder anderen Ausflug in Bereiche der österreichischen Sozialpolitik zu unternehmen.

Es ist mir ganz wichtig, dazu etwas einzutragen. Es wird gerne immer nur über Kosten und über Aspekte der Absicherung diskutiert. Ein Element wird dabei aber völlig vergessen, dabei ist es ein wesentliches Element der Sozialpolitik: die Verläßlichkeit der Einschätzung, wie es weitergeht. Und in diesem Punkt, so habe ich den starken Eindruck, waren der Herr Bundeskanzler eher wortlos, der Herr Vizekanzler eher sparsam und die bisherigen Debattenbeiträge der Kollegen und Kolleginnen aus den Regierungsfraktionen eher mit weißen Flecken ausgestattet. Die Frage der Standortentscheidung im Rahmen einer konkurrierenden Wirtschaft ist aber nicht nur eine Frage nach der Höhe der Kosten – das ist auch ein Aspekt –, sondern auch eine Frage nach der Verläßlichkeit der Entwicklung der Strukturen, der Verläßlichkeit der Entwicklung der Kosten und eine Frage der Verläßlichkeit der Rechtsordnung des Gebietes, in dem man sich ansiedeln will.

Diese drei Aspekte werden in jüngster Zeit durch die Regierungspolitik massiv vernachlässigt, indem nämlich ein Schauspiel vorgeführt wird, das nicht nur in Österreich, in der innenpolitischen Szene teilweise für Kummer, teilweise geradezu für schwarzen Humor sorgt: nämlich – als Beispiel sei es noch einmal festgemacht – die Debatte um den Versuch, mehr soziale Sicherheit dadurch zu erreichen, daß man die sogenannte Werkvertragsregelung geschaffen hat.

Es ist darüber schon gesprochen worden, aber ich möchte einen ganz wichtigen Aspekt beleuchten. Wenn wir so weitermachen, daß wir im April das eine Papier haben, im Mai das nächste, das Ganze am 1. Juni in Kraft treten lassen, dann im Juli eine erste rückwirkende Novelle machen und jetzt einen Krisengipfel nach dem anderen erleben, bis wir wahrscheinlich oder vielleicht – aber es gibt noch immer keinen Antrag der Regierung oder der Regierungsparteien – möglicherweise die nächste und wieder auf den ersten Juli rückwirkende Novelle bekommen, allerdings mit dem Aspekt, daß vielleicht nicht mehr alles rückwirkend repariert werden kann, weil teilweise schon Beiträge geflossen sind, teilweise schon Krankenscheine ausgestellt worden sind, schon Leistungen in Anspruch genommen worden sind, wenn wir also dieses Schauspiel fortsetzen, dann schadet das nicht nur der österreichischen Sozialpolitik, weil hier mit sozialen Argumenten in Wirklichkeit schnelles Geld gemacht wird, was dann in der Folge zu erhöhten Aufwendungen führen wird, die unproportional sind, sondern es schadet auch dem Wirtschaftsstandort in seiner Einschätzbarkeit. Ich sage es noch einmal: Nicht nur die Höhe der Kosten ist das Wesentliche bei einer Investitionsentscheidung – sei es jetzt die Höhe der Arbeitskosten als ein Element der Kosten und darin verborgen eventuell die Höhe der Kosten für soziale Sicherheit; das ist sicher auch ein Aspekt. Aber a) die Verläßlichkeit der Entwicklung solcher Kosten, b) die Verläßlichkeit der Entwicklung einer Rechtsordnung, c) die Üblichkeit von Rückwirkungen: Das sind Elemente, die Investoren gelegentlich abschrecken oder ermutigen. Wirtschaftlichkeitsrechnungen werden nicht in der Einnahmen-Ausgaben-Rechenform der Sozialversicherungsanstalten gemacht, sondern werden in mehrjährigen Vorschauen veranstaltet, in Fünfjahres- oder Zehnjahresrechnungen.

Wenn es heute nicht mehr möglich ist, eine brauchbare Wirtschaftlichkeitsrechnung für irgendein Investment anzustellen, weil man nicht einmal mehr genau abschätzen kann, was das auf der Ebene zum Beispiel der sozialen Kosten als einer der Komponenten bedeutet, weil man nicht genau weiß, wie sich diese entwickeln werden, dann ist das schlechter, als wenn sie allenfalls vielleicht da oder dort einmal zu hoch sind. Eine nicht vorhersehbare Entwicklung ist nämlich etwas, was Investoren dazu bringt, die Entscheidung entweder auszusetzen oder aufzuschieben oder anders zu treffen. Ich wollte das deswegen so deutlich hervorheben, weil an diesem Problem die Untrennbarkeit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein weiteres Mal manifest wird. Aber gerade uns vom Liberalen Forum, dem öfter der Vorwurf gemacht wird, wir hätten keine Probleme mit der sogenannten sozialen Kälte, ist es ein besonderes Anliegen – und das möchte ich Ihnen hier von diesem Rednerpult aus sagen –, daß die Sozialsysteme gut funktionieren, weil Sozialpolitik aus unserer Sicht friedensstiftende Politik ist, Politik, die dazu da ist, die friedliche Entwicklung in einer Gesellschaft auf der existentiellen Ebene gut abzusichern, zu entwickeln und zu entfalten. Und in diesem Sinne ist Sozialpolitik ein völlig untrennbarer


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