Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 173

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gang der privaten Nachfrage würde die wahrgenommene Krise nur verstärken und zu einer wirklichen Wirtschaftskrise führen.

Ich muß an dieser Stelle wieder auf Vranitzky zurückkommen, der heute gesagt hat, Lohnsenkung und Sozialdumping darf kein Mittel zur Beschäftigungssicherung sein. Nur: Es ist bezeichnend, daß bei dieser Passage lediglich die linke Seite dieses Hauses applaudiert hat; ich habe da sehr genau aufgepaßt.

In den meisten Branchen spielen die Personalkosten, inklusive Sozialabgaben, aufgrund der hohen Produktivität eine immer untergeordnetere Rolle. In vielen Industriebranchen entfallen nur mehr 15 bis 35 Prozent der Gesamtkosten auf Löhne und Gehälter. Darin alleine kann daher nicht der Grund für die Wettbewerbsfähigkeit bestehen. Der Großteil der Kosten entfällt auf Vorleistungszukäufe und auf Kapitalkosten. Wettbewerbsfähigkeit ist daher das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren und keinesfalls gleichbedeutend mit den Arbeitskosten.

Diese Unsinnigkeit wird immer wieder auch in der Behauptung geäußert – die natürlich auch unterstrichen wird –, daß zum Beispiel die hohen Arbeitskosten die Betriebe in den Ruin treiben. Dem widerspricht ja sehr deutlich eine Studie des Kreditschutzverbandes, der auch eindeutig festgestellt hat, daß 86 Prozent aller Insolvenzen hausgemacht sind, das heißt, vom Unternehmen selbst verschuldet sind. Ich möchte auf die Details hier gar nicht mehr näher eingehen.

Das heißt, die Personalkosten spielen in der modernen arbeitsteiligen und international verflochtenen Wirtschaft in den meisten Branchen nur mehr eine untergeordnete Rolle. In der Automobilindustrie – das sagte kürzlich ein Spitzenmanager – sind die Zulieferstrukturen für die Kosten entscheidender als die Arbeitskosten. Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes zufolge wies Österreichs Industrie einen durchschnittlichen Personalkostenanteil von 25,7 Prozent auf – auch da wieder: Tendenz fallend. Da kommt dann meistens auch noch die Frage der Lohnnebenkosten, auf die ich auch nicht mehr näher eingehen möchte, weil sie in diesem Haus schon ausreichend diskutiert wurden. Entscheidend sind nicht die Lohnnebenkosten, sondern die gesamten Arbeitskosten, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar die gesamten Arbeitskosten bezogen auf die Produktivität und die Lohnstückkosten. Auch diesbezüglich hat Österreich eigentlich sehr gute Werte aufzuweisen. Die Stundenproduktivität in Österreichs Industrie ist jährlich um 4,9 Prozent gestiegen, der EU-Durchschnitt lag in den letzten Jahren bei 3,6 Prozent. Weder Japan – plus 1,7 Prozent – noch der Wettbewerbsweltmeister USA – plus 2,9 Prozent – konnten diesbezüglich mithalten.

Die Schlußfolgerung lautet daher: Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist vor allem der Mensch von zentraler Bedeutung. Nur gut ausgebildete motivierte Menschen können jene Qualität der Arbeit erbringen, die den neuen Anforderungen entspricht. Nicht die Kürzung der Löhne und Sozialleistungen wird jene notwendige Kreativität und Innovationsfähigkeit schaffen, die bei der Entwicklung neuer Produkte, der Adaptierung neuer Technologien, neuer Marktstrategien und neuer Organisationsmethoden erforderlich sind. Setzen wir alles daran, diese Ziele umzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.43

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Frau Staatssekretär! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte beschäftigt sich mit den beiden Erklärungen der Regierungsmitglieder zu Wirtschafts- und Integrationsfragen. Das ist vielleicht zu dieser späten Stunde noch einmal in Erinnerung zu rufen. Ich hätte einen sozialpolitischen Eintrag zu diesem Thema vorzunehmen. Aus wirtschafts- und integrationspolitischer Sicht heißt das – auch vor dem Hintergrund des bevorstehenden 13. Oktober und der EU-Wahlen –: Wie ist die Standortfrage Österreich zu beurteilen?

Die Standortfrage Österreich hat selbstverständlich nicht nur eine wirtschafts-, sondern auch eine sozialpolitische Dimension, weil diese beiden Dimensionen untrennbar zusammenhängen.


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