Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 175

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Bestandteil auch der Wirtschaftspolitik und umgekehrt. Da gibt es kein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-Als-auch.

Aber Sie betreiben Sozialpolitik, indem Sie Werkvertragsregelungen der diskutierten Art alle wenigen Wochen und Monate immer wieder rückwirkend in Diskussion ziehen und verändern, statt daß Sie endlich die wirkliche Reform machen, die Sie als Bundesregierung, die seit 1987 in der jetzigen Konstellation regiert, seit annähernd 10 Jahren schuldig geblieben sind. Es ist ja nicht so, daß dieser Reformbedarf jetzt plötzlich hervorgebrochen ist. Das ist ja ein Problem, das längst bekannt ist. Da wird etwas als große Einigung verkauft, aber das Follow-up kommt nicht, der Antrag kommt nicht, und im Rahmen der Verkündigung der großen Einigung sagen die Regierungsmitglieder vor den Kameras gleichzeitig: Ja, aber die wirkliche Reform müssen wir erst machen, jetzt werden wir eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Da frage ich Sie: Warum haben Sie den vielen Initiativen, die wir in dieser Richtung ergriffen haben, nie Ihre Zustimmung gegeben, zum Beispiel als wir einen Entschließungsantrag zur Vereinheitlichung der Dienstnehmerbegriffe eingebracht haben? Dies wäre ein erster und notwendiger Schritt auch zur Harmonisierung der Sozialversicherungsrechte, wo wir nichts anderes gemacht haben, als von der Bundesregierung einen Operationsplan einzufordern, wie sie bei der Harmonisierung der Pensionsrechte, bei der Harmonisierung der Dienstrechte vorzugehen gedenkt. Das wurde abgelehnt, und jetzt, weil wir vehement dafür eintreten, daß dieser absolute Pfusch zum Quadrat, diese Werkvertragsregelung, jetzt zurückgenommen wird, damit eine echte Reform stattfinden kann, wird uns unterstellt, wir hätten diesen Wunsch deswegen geäußert, weil wir möglicherweise überhaupt keine Sozialabsicherung für die Menschen wollten. Können die Damen und Herren von den Regierungsparteien nicht begreifen, daß, wenn man von etwas, das hoffnungslos mißlungen ist, verlangt, es soll zurückgenommen werden, das nicht heißt, daß man der Meinung ist, daß man für dieses Problem keine echte Lösung braucht? Wenn eine falsche Lösung zurückgenommen wird, heißt das ja nicht, daß man in Untätigkeit verfallen soll, sondern das heißt, daß man das als Voraussetzung leisten muß, dieses Springen über den eigenen Schatten, um glaubwürdig eine echte Reform machen zu können.

Daher ist es mir manchmal so vorgekommen, als ob sowohl der Herr Bundeskanzler als auch der Herr Vizekanzler hier durchaus in pastoraler Form mit getragener Stimme leerformelhafte Appelle, adressiert an den 13. Oktober und an den gutmütigen Wähler, von sich gegeben hätten – Appelle ohne inhaltliche Aussage, wie etwa, daß man doch zusammenstehen möge. Das hat schon in diesem Sinn seine Richtigkeit, aber beim Zusammenstehen darf man sich erwarten, daß die Regierung, die die exekutive Macht ausübt, diese exekutive Macht so wahrnimmt, daß es einem leicht fällt, zuammenzustehen, daß es einem nicht schwer gemacht wird, zusammenzustehen.

Wenn außerdem dann – und das ist ja auch schon mehrfach angetönt – gelegentlich, wenn Probleme nicht gelöst sind, die Verursachung bei der Europäischen Union gesucht wird und man gleichzeitig bedauert, daß die österreichischen Bürger so wenig Verständnis dafür haben, daß es sinnvoll ist, daß wir in der Europäischen Union sind, dann muß ich sagen, hier wird wirklich ein übles Spiel mit Worten getrieben!

In diesem Sinne zum Ende: Wenn es Ihnen nicht gelingt, in der kürzest möglichen Frist – und das sind die nächsten Tage vor dem 1. Oktober – in der Frage der Werkverträge vorzuführen, daß es möglich ist, einmal zuzugeben, daß man etwas von A bis Z verdorben hat und daß das die einzige Chance ist, zu einer wirklichen sozialen Absicherung der vielen Menschen zu kommen, von denen Sie immer reden, daß Sie sie absichern wollen, gleichzeitig heben Sie aber die Beitragsgrenze auf 7 000 S an, damit garantiert ist, daß Menschen, die darunter sind, nicht sozial abgesichert sind – in Ihrer Diktion –, wenn Sie das also nicht tun, dann werden Sie einen weiteren Beitrag dafür leisten, daß die Demokratieverdrossenheit – und ich sage bewußt nicht Politikverdrossenheit – in diesem Lande mit Mitteln der Regierungspolitik gesteigert wird. Das ist der schärfste Vorwurf, den man einer demokratisch legitimierten Regierung machen kann, daß sie ihren eigentlichen Zweck, auch die Demokratie zu verkörpern – als abwählbar und als gewählt –, verfehlt, und das kann in eine echte Krise führen – so klein und so technokratisch das Problem aus Ihrer Sicht vielleicht sein mag, weil es nur ein paar "zerquetschte Kulturschaffende"


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite