Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 42

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muß für seine Familie, für den Arbeitsplatz, für die Erziehung der Kinder sorgen und sich mit vielen anderen Problemen auseinandersetzen. Nur würde dies alles in Frage gestellt, wenn es wieder einen nationalen Krieg geben sollte.

Zum ersten Mal haben wir die Chance – ich habe das immer betont: eine Chance, nicht mehr –, eine Gemeinsamkeit herbeizuführen, die das ausschließt, was Europa 1 000 Jahre lang war: nämlich ein Kontinent der Kriege, gelegentlich unterbrochen durch einige Jahre Frieden. Daher bleibt dies als oberstes Ziel, auch wenn es gelegentlich Opfer kostet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. )

Kollege Frischenschlager! Sie verlangen eine Diskussion über die Neutralität und behaupten, sie werde nicht geführt. Sie zitieren aber laufend Beiträge aus dieser Diskussion, sie findet also laufend statt. Sie können aber nicht jemanden zwingen, zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Form Stellung zu nehmen. Jeder hat die Freiheit, in einer Demokratie dann Stellung zu nehmen, wann er es für richtig hält. Sie nehmen ja auch dann Stellung, wann Sie es für richtig halten. (Abg. Dr. Khol: Man muß ihn an den Liberalismus erinnern! – Abg. Dr. Frischenschlager: Aber wann eine Regierungskonferenz läuft und wann sie notwendig ist! – Abg. Tichy-Schreder: Die ist noch nicht notwendig!)

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns doch in einer ähnlichen Situation wie jener während der Verhandlungen zum Beitritt zur Europäischen Union. Es wurde seit Beginn der Verhandlungen, seit der Übergabe des Beitrittsansuchens, laufend festgestellt: Wann kommt der offizielle Bericht zur Neutralität? Es gibt keine Diskussion, wir brauchen Vorbehalte, denn die EU verlangt Unmögliches von uns. – So ging es drei, vier Jahre. Dann wurde zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen: Wir sind beigetreten, das Gesetz blieb. (Beifall bei der ÖVP. ) Niemand verweigert die Diskussion, aber jedem muß es selbst überlassen sein, seine Position dann festzulegen, wenn er es für dieses Land für richtig hält.

Ich möchte nochmals betonen, was auch der Abgeordnete Peter gesagt hat: Das Land hat unter Gemeinsamkeit aller politischen demokratischen Kräfte soviel erreicht, daß wir stolz darauf sein können. Natürlich: Dort, wo es Schwierigkeiten gibt, wo es Strukturveränderungen gibt, dort erwarten die Menschen, daß wir uns engagieren, aber nicht mit der fast etwas eigenartigen österreichischen Neigung, immer Pessimisten zu sein. Wir haben Grund, Optimisten zu sein, nicht überheblich zu sein, für dieses Land auch in Europa das Beste herauszuholen.

Wir werden es genauso schaffen, wie 1948 beim Marshall-Plan, wo auf der Liste aller europäischen Länder, die die Hilfe der Amerikaner brauchten, nur ein Land keine Jahresbegrenzung gehabt hat: nämlich Österreich. Österreich war nicht lebensfähig, man mußte es durchsubventionieren. Da haben wir begonnen, zu zeigen, daß wir es auch anders können. Wenn wir mit dem gleichen Engagement an diese Frage herangehen, werden wir das auch in gleicher Weise erfolgreich lösen, davon bin ich völlig überzeugt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Außen- und Sicherheitspolitik: Warum zögert man, da weiterzugehen? – Weil es die empfindlichsten Themen sind. Wer unterwirft sich in der Frage Sicherheitspolitik einem Mehrheitsvotum? – Niemand derzeit, fast niemand. Es braucht vielleicht Generationen, um das zu erreichen, was Sie mit Recht anstreben: die Konsequenzen aus der Warnung durch das Beispiel Jugoslawien zu ziehen.

Sie haben mit Recht gesagt, es ist billig, darauf zu verweisen, man wolle keine militärische Gemeinsamkeit. Letztlich brauche man sie! Ich habe auch einmal hier gesagt, jene Kollegen müssen nachdenken, die eine militärische Lösung in Jugoslawien abgelehnt haben.

Meine Damen und Herren! Wenn es die militärische Lösung zwei Jahre früher gegeben hätte, gäbe es vielleicht 8 000 Tote in Srebrenica weniger, die nicht in Massengräbern gefunden worden wären, und weniger andere Gebiete, die so furchtbare Zeugnisse europäischer Unfähigkeit des Schutzes der Menschenrechte und der Unfähigkeit der UNO sind, die alle darunter gelitten haben, die an Reputation verloren haben.


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