Mein Erstaunen begründet sich darauf, daß Sie während der ganzen Debatte im Frühjahr, als es von unserer Seite aus um die Wirtschafts- und Währungsunion, aus Ihrer Sicht aber um das Sparpaket gegangen ist, diesen Zusammenhang immer geleugnet und gesagt haben: Wir brauchen ein Sparpaket, denn Österreich ist verschuldet – was im übrigen stimmt, das glaub ich auch.
Nur: Wie stark, mit welchen Maßnahmen, in welchem Tempo die Maßnahmen, die Sie dem Nationalrat vorgelegt haben, mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu tun haben könnten, haben Sie immer in Abrede gestellt.
Ich sehe, es kehrt Einsicht ein. Sie sagen selbst, diese Maßnahme, diese wichtige innenpolitische Maßnahme, war eine bedeutende – auch für die Außenpolitik.
Gehen wir noch einmal auf die gestrige Debatte zurück: Gestern haben wir über Ihren Bericht und den Bericht des Bundeskanzlers über die Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung diskutiert. Sehen Sie, wir denken, es wäre durchaus sinnvoll und an der Zeit, daß auch das Parlament Ihnen quasi als Auftrag so etwas wie die Leitlinien für die EU-Regierungskonferenz und für diese Integrationsbestrebungen und -bestimmungen mitgibt. Dies umso mehr, wo Sie in Ihrem Vorwort des Außenpolitischen Berichtes erwähnen, daß Sie aktiv und solidarisch im Inneren, sozusagen im Zentrum der Europäischen Union im Integrationskern Ihren Beitrag leisten wollen.
Wir haben gestern einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem diese Leitlinien formuliert waren. Sie haben diesen Antrag niedergestimmt. Sie sind auch gestern schon darauf aufmerksam gemacht worden, daß Sie damit nichts anderes als Ihre eigenen Formulierungen, Ihre eigenen Zielformulierungen niederstimmen, die Sie vielleicht in etwas anderen Zusammenhängen bringen: bei Wahlkampfveranstaltungen, bei Interviews, bei Statements, wo immer.
Ich denke mir aber, daß Ihre Worte ernst zu nehmen sind, nämlich so ernst zu nehmen sind, daß sie auch eine Mehrheit des Nationalrates beschließen könnte, wenn wir uns dieser Auffassung anschließen.
Und einigen Ihrer Auffassungen hätten wir uns durchaus angeschlossen, gerade wenn es – noch einmal Stichwort Sparpaket, Stichwort Wirtschafts- und Währungsunion –, um die Beschäftigungspolitik geht, wenn es darum geht – etwas, was Sie hier in Ihren integrationspolitischen Bestrebungen offensichtlich völlig außer acht lassen –, daß all das, was Sie hier als die wichtigste innenpolitische Entscheidung betrachten, nicht nur in Österreich, sondern vor allem in Europa zu einer Entwicklung führt, die erschrecken läßt: nämlich zu rund 20 Millionen Arbeitslosen im gesamten europäischen Raum und zu 50 Millionen Menschen, die an der Armutsgrenze leben.
Wir wollten gestern nichts anderes von Ihnen, als daß Sie sich noch einmal zu den Dingen, die Sie immer angesprochen haben, verpflichten: Das Ziel der Vollbeschäftigung muß explizit im Vertrag verankert werden, die Beschäftigung ist als prioritäres Ziel in die EU-Verträge aufzunehmen – ein Zitat von Ihnen selbst, Herr Vizekanzler –, oder die Europäische Union muß sich zur Sozialunion entwickeln, ein Leitsatz der ÖVP aus dem Manifest.
Aber Sie wollen offensichtlich nicht, daß der Nationalrat das beschließt und daß es zu einer Bestärkung dessen kommt, was Sie sagen, daß Sie Leitlinien mitnehmen können, um – wie Sie selber sagen – aktiv auftreten können. Und das wundert mich. Warum wollen Sie das nicht? Nehmen Sie Ihre eigenen Worte nicht ernst genug? Oder erwähnen Sie solche Dinge wie die Sozialunion und die Beschäftigungspolitik immer nur dann, wenn es gerade paßt, nur dann wenn Sie sehen: Jetzt brennt wieder der Hut, jetzt muß man wieder was sagen, jetzt muß man die Bevölkerung wieder beruhigen? – Dann sagen Sie: Ja, ja, die EU muß zur Sozialunion werden, das sozialpolitische Ziel muß in den EU-Verträgen verankert werden, und die Beschäftigungspolitik haben absoluten Vorrang.
Aber wenn es darum geht, etwas als Leitbild konkret zu formulieren und zu beschließen, dann stimmen Sie Ihre eigenen Forderungen nieder. Das hat meiner Meinung nach sehr viel Aus