Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 52

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abstimmung: Sollen wir dazu gehen oder sollen wir austreten, und es ist keine Abstimmung über die österreichische Neutralität. Darüber entscheiden wir selbst.

Ich sage noch etwas dazu: Für mich ist die Frage nicht – wie es Jörg Haider auf den Punkt gebracht hat, aber auch Frischenschlager und Kammerlander –: Neutralität oder Solidarität?, sondern für mich heißt es natürlich: und Solidarität. Das ist das neue europäische Ziel, das uns fordert und zu dem wir natürlich auch bereit sein müssen, gar keine Frage, auch in unserem ureigensten österreichischen Sicherheitsinteresse. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Friedhelm Frischenschlager hat die Frage aufgeworfen – die hat mich merkwürdig berührt, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen –, Neutralität nach Schweizer Muster. – Ja bitte wo steht denn das? Im Neutralitätsverfassungsgesetz steht das wirklich nicht, und davon haben wir uns doch längst verabschiedet. Würden wir eine Neutralität nach Schweizer Muster heute noch praktizieren, hätten wir nie zur UNO gehen dürfen, hätten wir uns natürlich nicht in Bosnien beteiligen dürfen, hätten wir nie Überflugsrechte im Golfkrieg erlauben dürfen, hätten wir nie zur "Partnerschaft für den Frieden" gehen dürfen, um gemeinsam mit der NATO etwas zu tun. – Wir haben uns doch längst emanzipiert von derartigen überholten Formeln. Wir alleine bestimmen, wie wir unsere Neutralität interpretieren, mit Leben erfüllen und sie mit UNO-Solidarität und europäischer Solidarität ergänzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben das Neutralitäts-Verfassungsgesetz beschlossen, ohne Volksabstimmung, und kein Mensch denkt daran, die Neutralität abzuschaffen. Wir sind der UNO ohne Volksabstimmung beigetreten, daher: Was soll diese Fragestellung? Was soll das, daß Sie jetzt drei Wochen vor der Wahl verlangen, daß wir eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Neutralität durchführen sollen? Das will doch überhaupt niemand.

Was zur Diskussion steht, ist erstens – und das ist eine wichtige Frage –: Wie geht es innerhalb der Regierungskonferenz weiter? (Zwischenruf der Abg. Mag. Kammerlander. ) Da müssen die anwesenden Parlamentarier aber schon bestätigen: Das haben wir Stunden und Stunden thematisiert und diskutiert, im zuständigen Außenpolitischen Ausschuß, im zuständigen Hauptausschuß des Nationalrates, hier im Plenum. Wir haben alle Positionen zur Regierungskonferenz durchgekaut und durchdiskutiert, und Sie wissen auf Punkt und Beistrich, was ich als Verhandler in Brüssel, in Straßburg oder wo immer vertrete. Es ist eine akkordierte österreichische Position, die, wie ich glaube, hoffentlich auch die Zustimmung aller Abgeordneten hier im Parlament findet, nämlich daß wir die sogenannten Petersberg-Aktionen – also alles, was der Friedensdurchsetzung, -schaffung und -bewahrung dient – in den Vertrag der Europäischen Union aufnehmen wollen, zusätzlich Krisenmanagement, zusätzlich humanitäre Hilfe, daß dabei die EU die politischen Beschlüsse faßt, die WEU beauftragen kann und daß jedes Land das Recht hat, sich an solchen Aktionen zu beteiligen, aber auch die Freiheit, draußen zu bleiben. Aber gleichzeitig wird die Flexibilität gefordert, daß einer, der nicht mittut, die anderen nicht behindern darf. Das ist die Position. Die ist, wie ich glaube, gut argumentierbar und ist sowohl in den Ausschüssen wie auch im Plenum eigentlich nie kritisiert worden. Daher: Hier haben wir eine klare Linie, was jetzt zu tun ist – nicht 1997, 1998, sondern jetzt.

Die andere Frage, wie es dann weitergeht in Richtung WEU oder NATO oder was immer, kann nicht jetzt beantwortet werden. Man bewirbt sich ja nicht um derartige Dinge. Man wird eingeladen. Und die NATO diskutiert jetzt im Kreis der heutigen Mitglieder – wir sind dabei nicht einmal ein Zaungast –, welche neue Zukunft sie sich gibt, welche Ziele, welche Instrumente, welchen neuen Mitgliedern sie sich öffnet, diskutiert über die Frage: Wie kann man in einem Partnerschaftsabkommen mit Rußland – was ich für essentiell halte, auch mit der Ukraine – in einem Netzwerk, das fast ganz Europa umspannt, den Frieden und die Solidarität und die Freiheit der Völker absichern? Und diese Frage muß abgewartet werden.

Es gibt, so glaube ich, im Leben, aber auch in der Politik den richtigen Zeitpunkt. Wofür ich plädiere ist nichts anderes, als sich ein bißchen Zeit zu lassen, bis die NATO, die heutigen NATO-Mitglieder, diese neue Position, die sich völlig unterscheiden wird – hoffe ich jedenfalls – vom kalten Krieg, definiert. Das wird vermutlich Mitte des nächsten Jahres der Fall sein. Und


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