Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 53

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dann soll Österreich in voller Eigenständigkeit definieren, was wir wollen. Das wird die Regierung vorschlagen in einem Bericht, sie wird es dem Parlament vortragen, und Sie, meine Damen und Herren Volksvertreter, haben dann die Wahl und die Entscheidung. Und so ist es nach meiner persönlichen Überzeugung auch richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erlauben Sie, daß ich ein Wort zu Bosnien sage, weil dies ein sehr, sehr wichtiges Thema ist, ein leidvolles Thema, wie Alois Mock zu Recht gesagt hat, und weil wir natürlich direkt involviert sind. Ich sage, daß die Wahl in Bosnien sehr, sehr wichtig war. Das wichtigste war wahrscheinlich das Faktum, daß sie überhaupt stattgefunden hat und stattfinden konnte. Wir wissen natürlich, sie war alles andere als perfekt. Hunderttausende konnten nicht über die Grenze oder haben sich nicht getraut, aus Angst, aus Sorge, daß IFOR-Truppen sie nicht genügend schützen können. – Es ist ein Skandal, daß von den 200 000 Vertriebenen nur letztlich 14 500 den Mut gehabt haben, die Grenze der Entitäten zu überschreiten und sich wieder in den ursprünglichen Orten niederzulassen. Das ist ein Skandal, ändert aber nichts daran, daß es wichtig war, daß diese Wahl zum vorgesehenen Zeitpunkt abgehalten wurde, weil dadurch das Projekt "Friede für Bosnien-Herzegowina" weiterlebt.

Ich halte es für ungeheuer wichtig, daß jetzt Stimmzettel abgegeben wurden, anstatt daß Gewehre gesprochen haben. Ich halte es für lebenswichtig für den Frieden, für Europa, für alle, vor allem für die Menschen dort, daß jetzt mit politischen Mitteln gekämpft wird und nicht mehr mit militärischen, auch wenn es nicht perfekt war und man dies, so wie es Alois Mock getan hat, öffentlich kritisieren muß.

Die schwierigere Frage kommt jetzt, nämlich die Kommunalwahlen, denn die Zentralwahlen waren ja noch relativ einfach. Da wurden die Präsidenten gewählt, die letztlich ein Triumvirat bilden, bei dem keiner den anderen überfahren kann, da wurden die völkischen Parlamente gewählt, in denen auch keiner den anderen überstimmen kann. Jetzt kommen die Kommunalwahlen, und wir haben erlebt, wie heiß es da zugehen kann, wie sich die Emotionen hochschaukeln können – Stichwort Mostar. Und wenn man das nicht richtig macht, dann drohen Dutzende kleine Mostars, und das kann eine sehr, sehr unangenehme Situation werden.

Was ich aber nicht zulasse, ist, daß man alle unangenehmen, leidvollen, dramatischen Fehlentwicklungen ausschließlich der Europäischen Union in die Schuhe schiebt.

Meine Damen und Herren! Vergessen Sie nicht, daß 500 europäische Soldaten in der Vor-Dayton-Zeit gestorben sind, um den Frieden zu erhalten. Aus meiner Sicht ist ein ganz großes Versagen auch den Vereinten Nationen anzulasten, die ein schlechtes Mandat, ein zu enges Mandat erteilt haben und auch nicht immer die richtigen Leute hingeschickt haben. Ich lasse es nicht zu, daß man alles und jedes nur der Europäischen Union in die Schuhe schiebt, die mehr macht, als man glaubt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute stehen zum Beispiel 26 000 europäische Soldaten in Bosnien, aber nur 14 000 amerikanische Soldaten (Abg. Scheibner: Das hat aber nichts mit der EU zu tun!) – selbstverständlich! –, und die wirtschaftliche Hilfe kommt in dieser Region zu 52 Prozent von den Völkern der Europäischen Union und nur 11 Prozent von den Amerikanern. Ich werde daher nicht zulassen, daß man für alles und jedes nur die EU verantwortlich macht und die Amerikaner als die Helden feiert, die zugegebenermaßen eine sehr wichtige Rolle in diesem Zusammenhang gespielt haben. Es wäre gut, wenn sich Europa hier noch besser koordinieren könnte, um nicht nur eine aktive wirtschaftliche, sondern auch politische und friedenssichernde Rolle spielen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich teile auch die Meinung von Alois Mock, daß wir zehn Jahre Präsenz dort brauchen, ganz sicher. Aber wer hat es denn thematisiert? Nicht die Amerikaner, wie Sie wissen, die Europäer haben es thematisiert. Und es ist die EU, die genauso im Nahen Osten den Frieden und den wirtschaftlichen Wiederaufbau sichert. Beispielsweise 50 Prozent der Wirtschaftshilfe für die Palästinenser kommen von der EU, 60 Prozent der israelischen Exporte gehen in die Europäische Union. Daher: Werden wir selbstbewußter, erkennen wir auch, daß die Europäische


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