Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 68

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Hohes Haus! Ich habe vorhin von einer eigenständigen und akzentuierten Außenpolitik des Vorgängers des jetzt amtierenden Ministers gesprochen. Wenn ich in der Geschichte der österreichischen Außenpolitik noch weiter zurückgehe, dann fällt mir natürlich in diesem Zusammenhang auch der Name Dr. Kreisky ein. Ich erwähne ihn deswegen, weil ich eine weitere konkrete Frage an Sie, Frau Staatssekretärin, richten möchte, und zwar eine Frage im Zusammenhang mit einem Problem, deren Ursache in die sechziger Jahre zurückreicht, in eine Zeit, als jener erwähnte Dr. Kreisky und spätere Bundeskanzler Außenminister gewesen ist. Diese Frage steht im Zusammenhang mit dem in den sechziger Jahren stattgefundenen Südtiroler Freiheitskampf. Ich habe Herrn Dr. Kreisky in diesem Zusammenhang erwähnt, damit ich nicht weiter ausführen muß – ich will es auch gar nicht –, welche Haltung dazu von der offiziellen österreichischen Seite eingenommen wurde. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auf die Nennung des Namens Dr. Kreisky beschränken. Mehr möchte ich nicht tun.

Der Südtiroler Freiheitskampf wurde damals von offizieller österreichischer Seite geduldet. Sind wir uns da einig, Herr Dr. Khol? (Abg. Dr. Khol: Geduldet!) Geduldet! Fein. (Abg. Dr. Khol: Unterstützt!) Das ist sogar mehr als geduldet. Geduldet und unterstützt. Ich wollte das gar nicht sagen. Vielleicht bin ich selbst sogar zu sehr Diplomat, Herr Dr. Khol. (Abg. Dr. Khol: Ich bin kein Diplomat!) Das weiß ich. (Abg. Dr. Khol: Das ist im Sinne Ihrer Rede ein Kompliment!)

Es geht um folgendes: Es sollen in Zukunft mit einem neuen Auslieferungsübereinkommen, das sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnen sollen, auch eigene Staatsbürger an EU-Länder ausgeliefert werden können, wenn diese Staatsbürger gegen das Recht des die Auslieferung begehrenden EU-Staates verstoßen haben. Darunter würden auch politisch motivierte und von der Verjährung betroffene Straftaten fallen, soferne sie nicht in dem die Auslieferung begehrenden Land einer Verjährung unterliegen.

Das heißt, Österreich müßte im Falle eines Auslieferungsbegehrens von italienischer Seite die ehemaligen Südtirol-Aktivisten oder Freiheitskämpfer, wie immer man sie nennen möchte, an Italien ausliefern. Man könnte diesen Gedanken noch weiter spinnen: Es könnte ein Land etwa auch die Auslieferung von Personen verlangen, wenn es unter Hinweis auf sein eigenes Strafrecht erklärt, aus der Sicht seiner strafrechtlichen Bestimmungen handle es sich um verdächtige Personen, die einer kriminellen oder politischen Vereinigung angehören. Beispiel: Italien. Das italienische Strafgesetz – übrigens aus dem Jahre 1930, aus der faschistischen Ära, zum Teil unverfälscht und überwiegend noch geltend – bestraft auch antinationale Aktivitäten im Ausland. Das heißt, man könnte aus italienischer Sicht auch antinationale Aktivitäten, man könnte, wenn man böswillig ist, etwa auch Förderungsvereine, die die Südtiroler Minderheit in kultureller und finanzieller Hinsicht unterstützen, unter so eine Sache subsumieren. Daher meine konkrete Frage an Sie, Frau Staatssekretärin – das möchte ich wirklich heute hier im österreichischen Nationalrat möglichst eindeutig geklärt haben –: Wie gedenkt die österreichische Bundesregierung in dieser Angelegenheit, bei diesem Vorhaben der EU zu agieren? Welche Haltung wird Österreich dabei einnehmen?

Letzte Anmerkung, Frau Staatssekretärin. (Der Redner macht eine kurze Pause. – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Hoffnung! Jetzt hast du es vergessen!) Nein, ich habe es nicht vergessen, ich möchte es nur kurz machen. – Österreich engagierte sich stets – und das tut auch der derzeitige Außenminister – für die Heimatvertriebenen. Man verweist auf zahlreiche bilaterale Gespräche, die zu diesem Thema geführt wurden, ohne jedoch bislang konkrete Ergebnisse vorzuzeigen und konkret zu sagen, in welche Richtung man sich dabei zu bewegen gedenkt. Ich sagte schon eingangs: Diese wenig pointierte, wenig akzentuierte Politik, die sich in diplomatischen Klischees und Worthülsen erschöpft, kommt auch in dieser Frage im Außenpolitischen Bericht zum Ausdruck.

Zur Frage der Heimatvertriebenen, über die sonst sehr viel in Sonntagsreden gesprochen wird – man sagt: Ja, wir werden, und Sie können sich auf uns verlassen, selbstverständlich –, steht im Außenpolitischen Bericht ein einziger Satz, und der lautet: "Die Diskussionen über strittige Themen in den bilateralen Beziehungen (grenznahe AKW)" – die AKW-Frage und die Frage der Heimatvertriebenen werden mit diesem einen Satz in einen Topf geworfen – "haben sich beruhigt." – Ende des Zitats.


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