Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 97

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Dort heißt es ganz klar, daß Staaten nur dann der EU beitreten können, wenn sie gleichzeitig Mitglieder der NATO werden, und in der WEU hat Österreich bereits mehr als einen Fuß. Wir sind dort assoziiert, und die Schritte der Annäherung sind im vollen Gange. (Abg. Scheibner: Das ist doch nicht wahr! Das stimmt ja nicht! Wir haben nur Beobachterstatus! – Abg. Dr. Khol: Hier oder woanders haben Sie Beobachterstatus?) Sie können sich ja dazu äußern. Ich beobachte sehr wohl, daß jedenfalls die Freiheitlichen einen sehr klaren Standpunkt zur österreichischen Neutralität haben, nämlich deren Aufgabe und den raschen Beitritt zur NATO. Die Grünen haben einen ebenso klaren entgegengesetzten Standpunkt: Bewahrung der immerwährenden Neutralität Österreichs und hier und heute durch den Bundeskanzler Abgabe einer Garantie, daß an dieser Neutralität in keinem Fall gerüttelt werden kann, ohne die österreichische Bevölkerung zu befragen. (Beifall bei den Grünen.)

Die anderen Parteien in diesem Haus lavieren irgendwo dazwischen. Jetzt, in Vorwahlzeiten, kommen immer die Lippenbekenntnisse für die Neutralität, gestern von Klubobmann Khol ganz anders als von Parteiobmann Schüssel, immer wieder in milder Form vom Herrn Bundeskanzler, ganz anders vom SPÖ-Spitzenkandidaten für die Europawahl, der am 11. Juni 1996 ausdrücklich gesagt hat: Österreich hat keine Berührungsängste mit sicherheitspolitischen NATO-Kooperationen.

Diese Berührungsängste hat vielleicht der SPÖ-Spitzenkandidat nicht, die österreichische Bevölkerung will in großer Mehrheit diese NATO-Kooperation nicht und spricht sich für die Beibehaltung der Neutralität aus, und das geht nur mit einer aktiven Neutralitätspolitik, nicht mit dieser schwammigen Nur-nicht-anstreifen-Politik.

Herr Bundeskanzler! In diesem Tindemans-Bericht heißt es ausdrücklich, daß die Neutralität für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf Unionsebene wenig förderlich sei. Das heißt, die Neutralität wird hier ausdrücklich in Frage gestellt.

Und es geht weiter, es geht nämlich, wie ich bereits sagte, nicht mehr um eine Verteidigung von Mitgliedstaaten oder der Union, sondern es heißt ausdrücklich im 4. Kapitel dieses Berichtes: Die Ziele einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Der Schutz der Interessen der Union und der Unionsbürger.

So wird etwa im Falle der Verletzung lebenswichtiger Interessen oder im Falle einer Blockade oder Behinderung der Versorgung vorgeschlagen, gezielte Angriffe oder einseitige politische Entscheidungen treffen zu können, um die Unionsinteressen auch außerhalb der Union durchsetzen zu können. Das heißt: gezielte Angriffsschläge, Angriffskriege, die über das Territorium der EU hinausgehen. – Herr Bundeskanzler! Das ist mit Sicherheit mit keinem auch noch so eingeschränkten Verständnis von Neutralität mehr vereinbar.

Einen solchen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, zu wissen, es gibt diesen Bericht, er ist durch den zuständigen europäischen Ausschuß gegangen, und hier kein klares Votum im Namen der Bundesregierung abzugeben, das, Herr Bundeskanzler, ist die größte Verunsicherungspolitik, die von dieser Bundesregierung wohl ausgehen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Aber es geht auch noch weiter, es geht nämlich nicht nur um das Überschreiten der reinen Verteidigungsintentionen, es geht nicht nur um die klar formulierte Absage an die Position Neutraler, sondern es geht auch um atomare Aufrüstung.

So heißt es im 50. Punkt dieses Berichtes, daß auf Frankreich und das Vereinigte Königreich als Atommächte eine besondere Verantwortung zukomme und daß sie ihre Atomstreitmacht in den Dienst der Europäischen Union stellen sollten, dieser Europäischen Union, die, wie gesagt – so die sicherheitspolitischen Intentionen –, umfassend ist, keinen Platz für Neutrale hat und in der es eine praktische Identität von WEU und NATO gibt, mit atomarer Aufrüstung, beigestellt von Frankreich und Großbritannien.

Es wird auch ganz konkret gesagt, es sollen koordinierte Geleitzüge für Raketenunterseeboote aufgestellt werden, koordinierte Geleitzüge für Raketenunterseeboote, atomar bewaffnet. Und


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