Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 99

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Frau Bundesministerin! Diese heutige Entscheidung ist so etwas wie eine "historische Entscheidung". Man sollte mit diesem Begriff nicht zu häufig agieren, denn was macht man dann, wenn eine solche Entscheidung wirklich zu fällen ist?

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Geschichte der Gentechnologie ansieht, kann man zwei große Strömungen beobachten: auf der einen Seite Wissenschafter, die – im Namen der Wissenschaft – versuchen, das Wissen zu vermehren, die begeistert und ehrgeizig sind und oft übersehen, in wessen Diensten sie stehen. Auf der anderen Seite gibt es jene, die mit diesen wissenschaftlichen Ergebnissen Geld verdienen und dadurch oft vergessen, wem sie verpflichtet sind.

Meine Damen und Herren! Die politische Entscheidung, die hier und heute und insgesamt auf dem europäischen Kontinent getroffen wird, ist: Gibt es gegen die Lobbyisten der Gentechnologie auf dem Lebensmittelsektor ein politisches Gegengewicht? In Amerika ist die Auseinandersetzung hart, und große Konzerne versuchen natürlich, sich in diesem Spiel optimal zu verhalten und keine Verluste im Bereich von Marktsegmenten einzufahren. Sie versuchen ein sehr geschicktes und variantenreiches, trickreiches Spiel. Sogar große Konzerne wie Unilever oder Nestlé versuchen auszuloten, wo der mächtigste Spieler ist. Und der mächtigste Spieler, meine Damen und Herren, in diesem sehr gewagten, politisch riskanten Spiel sind meines Erachtens die Konsumentinnen und Konsumenten. Diese Gruppe, Frau Bundesministerin, hat sich eindeutig gegen gentechnologisch hergestellte Lebensmittel entschieden.

Es gibt aber noch eine mächtige Lobby dahinter: die Landwirte, meine Damen und Herren – zumindest jene Landwirte, die seit Jahrzehnten versuchen, auf dem biologischen Sektor eine Vorreiterrolle zu spielen und gerade in Österreich besonders naturnah zu produzieren.

Frau Bundesministerin! Sie als Ministerin für Konsumentenschutz haben heute hier die Gelegenheit gehabt, für die Konsumentinnen und Konsumenten eine politische Position einzunehmen, die klar ist. Das, was Sie hier demonstriert haben, ist ein ganz gewöhnliches politisches Ping-Pong-Spiel mit Ihrem Koalitionspartner. (Beifall bei den Grünen.) Das ist in der üblichen Koalitionsmanier das Abgehen von Standpunkten: indem man dem anderen die Schuld gibt.

Kollege Schuster geht sogar so weit, daß er hier sagt, wir können auf diese Produkte verzichten. Wer braucht sie dann in diesem Haus? Wer will sie in diesem Land? – Jetzt ist die Frage: Mit welcher Kraft, mit welchem politischen Einsatz wird dagegen aufgetreten? Die Lobbyisten von MONSANTO und anderen Firmen, die auf gentechnisch veränderte Lebensmittel setzen, die die Bauern nur mehr als Zuträger und Hilfsarbeiter benötigen, wo die Konsumenten nur mehr willfährige Esser sind, haben sich klar entschieden. Diese Firmen wollen um jeden Preis mit ihren Produkten auf den Markt.

In Amerika wurde die Entscheidung klar getroffen. Man vermischt bei der Ernte des Jahres 1996 gentechnologisch hergestellte Sojabohnen mit jenen, die aus gewöhnlichem Anbau stammen, die nicht gentechnologisch produziert sind – absichtlich, um ja die Front nicht zu durchbrechen, daß die Konsumenten und auch die Lebensmittelhersteller sich klar für die Konsumentenmehrheit entscheiden. Sie wissen ganz genau, Frau Bundesministerin, daß es, wenn hier und heute keine klaren Schritte gesetzt werden, in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, zu unterscheiden. Ich rede jetzt überhaupt nicht von den Tieren, die diese Futtermittel fressen. Da kann der Bauer entscheiden. Aber wir haben bitte keine Kennzeichnung! Und was wird passieren? – Wir werden bei all den Produkten, die aus Soja hergestellt werden, nicht mehr unterscheiden können, wo gentechnologisch hergestelltes Soja drin ist und wo nicht.

Was machen Sie mit Brot, Speiseöl, Babynahrung, Mozartkugeln, Sojamilch, Tofu, Margarine, Schnitten, Backfett, vegetarischen Aufstrichen, Mayonnaise, Frau Bundesministerin? Was werden Sie mit all diesen Produkten machen? Wie werden Sie den Konsumenten zum mündigen Bürger erziehen? Was ist denn das für ein Gerede, Frau Bundesministerin? Sie haben heute, hier und jetzt zu entscheiden, daß Sie auf der Seite der österreichischen Bevölkerung stehen und sonst nirgends, Frau Bundesministerin (Beifall bei den Grünen), nicht auf der Seite von Ge


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