Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 105

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In der EU war ich dabei, als die Novel-food-Verordnung im Europäischen Parlament verabschiedet beziehungsweise dem Vermittlungsausschuß zugewiesen wurde. Bei der Abstimmung im Europäischen Parlament war der Unterschied, daß die SPE-Anträge die weiter gehenden waren und daß die Kollegen der EVP eigentlich nur für eine Kennzeichnung von erheblich veränderten Lebensmitteln gestimmt haben. Deswegen kam sozusagen dieser Zwiespalt zustande, sodaß dann diese Verordnung dem Vermittlungsausschuß zugewiesen wurde. Tatsache ist, daß dadurch die Novel-food-Verordnung nicht rechtzeitig in Kraft getreten ist.

Meine Damen und Herren! Etwas, was ich offensichtlich wirklich nicht mitbekommen habe, ist, daß wir anscheinend in Österreich zwei Regierungen haben. Die eine Seite sind die Sozialisten. Diese sagen, daß eigentlich die schwarzen Minister zuständig sind. Die schwarzen Minister wiederum sagen, daß die Sozialdemokraten zuständig sind. Ich kenne mich da nicht mehr aus: Haben wir jetzt eine Regierung – oder haben wir zwei Regierungen? Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, daß sich die Regierung einheitlich in der Beziehung äußert, daß wir eine umfassende Kennzeichnung in Österreich erreichen sollten.

Daher, Frau Minister, würde ich Ihnen empfehlen, diesen Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220 EWG auszunützen. Er gibt Ihnen die Möglichkeit, die österreichische Bevölkerung auch dann, wenn die EU säumig ist, zu schützen, Das ist das Prinzip der Subsidiarität, das da zur Anwendung kommt. Daher, ist es, glaube ich, gerechtfertigt, wenn Sie jetzt davon Gebrauch machen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Mut zu tun, sondern das hat damit zu tun, daß Sie Ihre Rechte, die Ihnen die EU gibt, ausschöpfen. Deshalb ist die Subsidiarität ein wichtiges Prinzip für Liberale, und das ist daher auch in diesem Fall anwendbar.

Zum Schluß kommend: Ich hoffe, daß Österreich nie eine gentechnikfreie Zone wird. Forschung und medizinische Anwendungen müssen immer möglich sein. Jedoch muß man, glaube ich, für den Konsumenten eine umfassende Kennzeichnung verlangen. Dies ist Ihnen möglich, Frau Minister. Nützen Sie Ihre Chance! Sie werden sehen, Sie werden von der EU nicht angeklagt werden. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

17.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kammerlander. – Bitte.

17.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Vorrednerin hat am Schluß ihrer Ausführungen gesagt, Sie empfiehlt Ihnen, Frau Bundesministerin, vom Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie Gebrauch zu machen. Ich sage: Ich empfehle es Ihnen nicht, aber ich habe es eigentlich erwartet, daß Sie das nach all Ihren Ankündigungen tun. Meine Kollegin Petrovic hat darauf hingewiesen, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß Sie hier im Hohen Hause ganz klar deklariert haben: Sie werden nicht zulassen, daß diese Sojabohne, wenn sie nicht gekennzeichnet ist, auf den europäischen Markt kommt. Jetzt sind Sie gefordert, jetzt ist der Zeitpunkt da, wo Sie Ihr Wort einlösen könnten, das Sie damals gegeben haben – aber jetzt kneifen Sie und drücken sich.

Wie gesagt: Ich habe es erwartet, daß Sie das tun. Es wäre das, wie schon oft hier angeführt, eine einmalige Chance gewesen, Rückgrat zu zeigen genau dann, wenn es knifflig wird, knifflig deshalb, weil Sie sicher durch die Konzerne, die da dahinter stehen, unter Druck gekommen wären. Aber Sie hätten auch zeigen können, was das Wort einer österreichischen Ministerin wert ist und was vor allem – und das ist nach der EU-Wahl nicht so unbedeutend – das Wort einer sozialdemokratischen Ministerin wert ist.

Denn eines muß ich Ihnen, Frau Bundesministerin, und auch Ihren Kolleginnen und Ihren Kollegen von Ihrer Fraktion schon sagen: Wundern Sie sich nicht – das ist ein Stück der Politik –, daß Sie, wenn Sie ständig an den klar deklarierten Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung vorbeisehen und dann nicht reagieren, wenn es gefordert ist – zum Beispiel wenn Sie in einem Ausschuß einen Antrag absetzen, vertagen, nicht behandeln – , den letzten Rest von Vertrauen verlieren.


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