Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 98

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weiter sinken wird, weil man ja niemandem klarmachen kann, daß zum einen von der Bevölkerung Opfer verlangt werden und zum anderen die Bevölkerung für einen Agrarirrsinn, der hier praktiziert wird, der Geld kostet, der an sich schon falsch konzipiert ist und wo noch dazu so als Mitläufereffekt Betrügereien an der Tagesordnung sind, mitzahlen soll.

Zwei Aufgaben stellen sich: Zum einen sind im Rahmen des bestehenden Systems diese Betrügereien schonungslos aufzudecken und die Schuldigen auch in der Öffentlichkeit zu nennen. Das darf nicht salonfähig sein. Zum anderen müssen wir uns fragen, was an diesem System falsch ist, was dazu führt, daß ein aberwitzig teures Agrarsystem subventioniert wird, bei dem die Landwirtinnen und Landwirte zu Schaden kommen, weil ein Erhalt der klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaften trotz zig Milliarden durch Förderungsprogramme nicht sichergestellt ist, bei dem die Konsumentinnen und Konsumenten zu Schaden kommen, weil durch diese Betrügereien polnische Rinder als österreichische getarnt mit umgemodelten Ohrmarken nach Holland verscherbelt werden. Bei derartigen Betrügereien geht das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten verloren, und sie erhalten schlechte Produkte.

Außerdem – und das ist ein Punkt, der immer mehr Menschen in diesem Land interessiert – ist das mit Grausamkeiten unvorstellbarer Art verbunden; Grausamkeiten, die in einem entwickelten Staat, der angeblich Humanität auf seine Fahnen geschrieben hat, eigentlich unerträglich sind. Es ist einigen wirklich mutigen Journalistinnen und Journalisten zu verdanken, etwa Manfred Karemann, daß diese Dinge nicht mehr vertuscht werden können, daß die Behauptung: Nein, bei uns gibt es das nicht, das ist irgendwo sonst auf der Welt der Fall!, eindeutig als Unwahrheit enttarnt ist.

Leider gibt es das auch bei uns. Die Bilder, die uns hier vor Augen geführt worden sind, kann ein Mensch, der noch einen Funken Mitgefühl mit Geschöpfen hat, die leiden können, die Empfindungen haben, fast nicht ansehen und nicht ertragen. Das ist ein institutionalisiertes System.

In einer anderen Anfragebeantwortung haben Sie uns, Herr Bundesminister, mitgeteilt: Für ein mittleres männliches Schlachtrind, 650 Kilo Lebendgewicht, werden 6 362 S – für ein Tier fast sechseinhalbtausend Schilling! – an Förderungsmitteln bezahlt. Herr Bundesminister! Sie müssen sich stärker dafür einsetzen, daß das abgeschafft wird! Das ist Wahnsinn, das ist Grausamkeit, und das ist nur schädlich! (Beifall bei den Grünen.)

Noch eines, Herr Bundesminister: Ich habe Ihren Aufschrei und auch den Aufschrei des österreichischen EU-Landwirtschaftskommissars bei den jetzigen Beschlüssen des Agrarministerrates betreffend der Einführung der sogenannten Herodesprämie vermißt. Diese Prämie bezweckt, daß männliche Kälber unmittelbar nach der Geburt getötet werden, um mit den Folgen der BSE-Krise zu Rande zu kommen.

Herr Bundesminister! Das ist nicht einmal eine Symptomkorrektur, das ist ein völlig verfehlter Weg! Wieder werden Milliarden und Abermilliarden in ein verrücktes System investiert, wobei wir wissen, daß der Ausweg ganz anders ausschaut, nämlich flächendeckende Ökologisierung, Produktion für die lokalen Märkte, Produktion höchster Qualität, Erhalt der klein- und mittelbäuerlichen Strukturen, Bewahrung des Konsumentenschutzes und weg mit dem grauenhaften Tierleid, das jeden Tag auf Österreichs Straßen passiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Warum vertreten Sie dann noch die Fristenlösung?)

Herr Bundesminister! Das ist ein Schritt in die falsche Richtung. Und ich kann mich nur wundern, daß die ÖVP, daß deren führende Regierungspolitiker mit einem Akt gleichzeitig die Interessen der österreichischen Landwirtschaft aufgeben, die Interessen des Konsumentenschutzes mit Füßen treten und dazu noch die Fortsetzung eines entsetzlichen Tierleides in Kauf nehmen, das von der Bevölkerung – das garantiere ich Ihnen – so nicht mehr geduldet wird. (Beifall bei den Grünen.)

15.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Sollredezeit: 10 Minuten.


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