Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 62

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Das Jugendalter ist generell eine komplexe und schwierige Phase. Die Jugendlichen müssen sich von ihrem Elternhaus lösen, sie müssen lernen, Beziehungen, auch intime Beziehungen, zu entwickeln. Sie müssen ihre Identität formen. Dieser Prozeß ist für homosexuelle Jugendliche mit besonderen Belastungen verbunden.

Homosexuelle Burschen und Mädchen scheinen die einzigen Jugendlichen ohne eine Gruppe von Altersgenossen zu sein, mit denen sie sich identifizieren können und von denen sie Unterstützung erhalten, denn auch die anderen homosexuellen Jugendlichen leben zumeist versteckt, und das führt zu einer extremen Isolation.

Die Jugendlichen leben oft in dem Gefühl, mit niemandem über ihre Probleme, Sehnsüchte und Gefühle sprechen zu können. Die einzigen Bilder von Homosexuellen, die ihnen die Gesellschaft als Rollenmodelle anbietet, sind Stereotype, die homosexuelle Menschen als neurotisch, unglücklich und selbstzerstörerisch darstellen. Sie kommen auch oft auf den Witzseiten vor.

Gerade in dieser Situation, die für diese Jugendlichen extrem bedrückend ist, bedürfen homosexuelle Jugendliche der Kontakte zu anderen, zu anderen Homosexuellen, sowohl gleichaltrigen als auch erwachsenen, die es gelernt haben, im Einklang mit ihrer homosexuellen Orientierung zu leben.

Mangels entsprechender Rollenmodelle lernen homosexuelle Jugendliche aber nicht, wie man intime Beziehungen aufbaut und diese dann auch aufrechterhält. Sie erhalten kaum soziale Unterstützung und Hilfe bei den Frustrationen, Enttäuschungen und Konflikten, die typischerweise in jeder Beziehung mit der Zeit entstehen. Ihre Beziehungen stehen daher von vornherein unter einem schlechten Vorzeichen.

Die Diskriminierung verschärft diese Situation, und die Diskriminierung wirkt auch einer geglückten Entwicklung der Jugendlichen entgegen, weil es für sie so schwierig ist, stabile und dauerhafte Beziehungen einzugehen. Die Jugendlichen suchen, mit oder ohne Strafrecht, ihre Partner, und das ist ihr gutes Recht. Das ist hier schon gesagt worden. Die Rechtsordnung kann die Bedingungen gestalten, unter denen dies geschieht, und sie kann die Bedingungen extrem verschlechtern, wie das in diesem Fall eindeutig geschieht.

Die Diskriminierung und der mit ihr verbundene Zwang zur Heimlichkeit treiben die Jugendlichen in ungünstige soziale Milieus, in Bahnhöfe, Parks, öffentliche WC-Anlagen und so weiter, wo sie dann anonyme Kontakte eingehen, die im allgemeinen einem geringeren Entdeckungsrisiko ausgesetzt sind – jedenfalls einem wesentlich geringeren als bei echten, persönlichen Beziehungen.

Dementsprechend hat auch die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zum Entwurf 1991 darauf verwiesen, daß – ich zitiere – "viele schwule und bisexuelle Jugendliche keinen anderen Ort, wo sie ihre Sexualität leben können, haben, als die allseits bekannten WCs, Parks und Bahnhöfe. Dort besteht dann die Gefahr, daß sie mit Prostitution in Berührung kommen. In ihrer gewohnten, sozialen Umgebung ist es ihnen unmöglich, und von homosexuellen Organisationen und Lokalen wissen sie meist nichts, oder sie trauen sich wegen der Eindeutigkeit der Umgebung nicht hin. Oft verdrängen Jugendliche auch ihre eigenen homosexuellen Anteile so sehr, daß sie zur Rechtfertigung ihrer homosexuellen Handlungen der Bezahlung bedürfen. Dieser Zusammenhang von Tabuisierung und Diskriminierung von Homosexualität und Jugendprostitution ist evident." – Ende des Zitats.

Schließlich bestätigen die Homosexuellen, die die Jugendlichen in ihrem Straßenleben treffen, zumeist auch jene negativen Bilder von Homosexuellen, die sie von der Gesellschaft vermittelt bekommen. Auf diese Weise bleiben ihnen positive Lebensstile, die ihnen auch offenstünden, verborgen. Es gibt eine große amerikanische Studie zum Thema homosexuelle Jugendliche. Die Haupttodesursache bei homosexuellen Jugendlichen in den USA ist der Selbstmord, das ist kein Zufall.

Wir müssen, wenn wir vom Jugendschutz reden, die extreme Isolation und die extremen Probleme, die diese Jugendlichen haben, bedenken. Erst kürzlich bin ich mit dem Fall eines 16jähri


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