Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 75

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Meine Klubobfrau, Frau Schmidt, hat darauf schon in ihrer Rede hingewiesen, aber ich möchte es noch einmal aufgreifen, weil ich befürchte, daß es nicht von allen so verstanden wurde.

Wenn ich jemanden schützen will, dann muß ich mich fragen, wovor. Selbstverständlich – und diesbezüglich, glaube ich, gibt es überhaupt keinen Konflikt unter den Kollegen und Kolleginnen in diesem Hohen Haus – ist es unsere Pflicht, vor Nötigung, Gewalt und dem Ausnützen von Abhängigkeiten zu schützen. Das ist unsere Pflicht, und das ist auch in unserem Strafgesetzbuch ausdrücklich verankert.

Der Herr Bundesminister hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß diese Rechtsfelder unberührt bleiben. Diese Rechtsfelder sind auch nicht von irgendeinem Alter abhängig. Möglicherweise steigt das Schutzbedürfnis mit sinkendem Alter, aber ich bin der Meinung, daß Nötigung, Gewalt und das Ausnützen von Abhängigkeiten auch gegenüber Erwachsenen, Volljährigen – oder wie alt auch immer einer sein mag – nicht erlaubt sein dürfen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Durch die sprachliche Unschärfe, die hier Platz gegriffen hat, indem man die Altersgrenze, unter der sexuelle Beziehungen zwischen Menschen, wenn beide männlich sind, unter Strafe gestellt werden, anders ansetzt, als wenn das nicht der Fall ist, wird eine Wertung ausdrückt, die einfach unerträglich ist.

Es wird hier letztlich eine moralisierende Position eingebracht, die bestimmte Annahmen voraussetzt, um zuzutreffen, daß nämlich die Liebe zwischen Männern, wenn sie in einer bestimmten Alterszone stattfindet, etwas zu Bestrafendes ist, etwas ist, was man unter Strafe stellen muß, was man pönalisieren muß, weil es der Gesellschaft nicht zuträglich sei.

Damit werden aber Tür und Tor dem Ansatz geöffnet, daß moralisierende Positionen dafür verwendet werden können, Strafrechtstatbestände zu rechtfertigen. Und das ist ein ganz, ganz schwerer Fehler, weil es überhaupt keinen auch wie immer gearteten Hinweis gibt, daß es sich dabei tatsächlich um ein richtiges Argument handelt.

Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir hier einen Zirkelschluß benützen, um einfach eine Position festhalten zu können, von der wir wissen, daß sie im vergangenen Jahrhundert letztlich aus ganz anderen Gründen in die europäischen Rechtssysteme aufgenommen worden war. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich frage Sie jetzt: Warum ist es im Feld der Zuneigung zwischen Menschen, im Feld der Liebe anders als zum Beispiel beim Übertritt von einer Religionsgemeinschaft zur anderen, bei dem, wie auch meine Klubobfrau schon vorgetragen hat, einheitliche Altersgrenzen für Buben und Mädchen um 14 Jahre herum bestehen? Warum glauben wir, daß wir da eine differenzierte Altersgrenze brauchen?

Ich hoffe, daß wenigstens manchen von Ihnen diese Überlegung bei Ihrer eigenen Meinungsbildung hilft, daß Sie erkennen, daß es überhaupt keinen Grund gibt, da mit einer differenzierten Altersgrenze vorzugehen.

Noch ein wichtiger Gesichtspunkt zum Zirkelschluß: Die Ansicht, die hinter dem Bedürfnis derer steht, die die Altersgrenze, über die wir hier diskutieren, hoch angesetzt belassen wollen, die Ansicht, daß Homosexualität prinzipiell pathologisch sei, wird in einer geradezu perfiden Art verstärkt, indem man Menschen in einer bestimmten Entwicklungsphase unter schweren seelischen Druck stellt und daher gelegentlich ihre Entwicklung psychopathologisch negativ beeinflußt. Wenn dann diese Menschen, die unter Druck oder unter Strafrechtsdrohung gehalten wurden, wodurch sie dann eben keine positive emanzipatorische Entwicklung durchlaufen konnten, gelegentlich Schwierigkeiten hatten, das aufzuarbeiten, und daher manchmal eben Probleme hatten, wird das als Beweis dafür verwendet, daß es richtig war, sie vorher zu unterdrücken, sie seelisch zu mißstalten.


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