Und dann gibt es hier noch ein anderes Zitat. Es stammt aus dem gleichen Jahr. Es stammt aus der "Erfolgsbilanz 1994" des ÖVP-Parlamentsklubs zur XVIII. Legislaturperiode – ich zitiere –: "Der ÖVP-Erfolg: keine Integration geistig behinderter Kinder in die AHS, sinnvolle Integration geistig behinderter Kinder in die Volks- und Sonderschule."
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Vergleich dieser beiden Zitate zeigt ganz deutlich, welcher Unterschied in der Weltanschauung zwischen den Verfassern dieser jeweiligen Aussage besteht. Die Salamanca-Erklärung, ein Beleg für Demokratie und Humanität – der sogenannte ÖVP-Erfolg, ein borniertes und selbstgerechtes Sich-auf-die-Schultern-Klopfen für eine schlimme Ausgrenzungsmentalität. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)
Ich muß mich ja eigentlich nur an das gestrige Stimmverhalten der ÖVP zur Aufrechterhaltung der diskriminierenden und beschämenden Homosexuellen-Paragraphen erinnern, um zu erkennen, daß diese Ausgrenzungsmentalität in den Reihen der ÖVP noch keineswegs überwunden ist. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Also bitte, Frau Kollegin Schaffenrath!)
Nun stimmt es zwar, daß sich die ÖVP seit dieser – wie ich glaube – schaurigen "Erfolgsmeldung" tatsächlich einen Schritt bewegt hat, und mit diesen vorliegenden Gesetzentwürfen gibt es zumindest ein grundsätzliches Bekenntnis zur Integration in den Sekundarbereich I. Man könnte also sagen: Die ÖVP bewegt sich doch. Aber wir müssen der Unterrichtsministerin zumindest in dieser Hinsicht – und eigentlich nur in dieser Hinsicht – unsere Anerkennung aussprechen, denn es ist sicherlich nur ihrem innerparteilichen Engagement zu verdanken, daß überhaupt Bewegung in diese Situation gekommen ist. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Fuchs. )
Die vorliegenden Gesetzentwürfe müssen wir dennoch scharf kritisieren. Es wird zwar auf formaler Ebene die Umsetzung von Integration angestrebt, aber in ihrem Geist und in ihrer Substanz merkt man hier etwas ganz deutlich:
Es geht gar nicht darum, den Ansprüchen und Bedürfnissen behinderter Kinder gerecht zu werden, und es geht gar nicht darum, ihnen die besten Voraussetzungen und Bedingungen für ein Gelingen dieser Integration auf ihren ohnehin schon sehr mühsamen Weg mitzugeben. Nein: Diese Gesetze sind ein bedauerlicher Kompromiß zwischen dem Anschein von Menschlichkeit, den Interessen des Finanzministers nach einer möglichst billigen Variante und dem brutalen Durchsetzungsvermögen bei gewerkschaftlichen Interessensvertretungen, so nach dem Motto: kein Handgriff eines Lehrers ohne besondere Bezahlung.
Meine Damen und Herren! Diese Gesetze sind für uns Liberale geprägt vom Geist der Ausgrenzung. Wir wollen das nur an drei Beispielen aufzeigen.
Für Liberale ist Integration ein Menschenrecht. Nach den vorliegenden Gesetzentwürfen besteht zwar die Möglichkeit zur Integration, aber in letzter Konsequenz ist jeder zu integrierende Schüler auf die Gnade des Schulleiters angewiesen. Es besteht kein Recht auf Integration, sondern Integration wird lediglich als eine Art sozialer Gnadenakt gewährt.
Das wird ganz besonders deutlich am § 5 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes, in dem festgelegt wird, daß bei Überfüllung einer Schule – ich zitiere – "die Aufnahmsbewerber nach ihrer Eignung, also dem Lernerfolg in den bisher zurückgelegten Schulstufen, und dem Ergebnis einer allfälligen Aufnahmsprüfung zu reihen sind".
Diese Reihung nach dem Lernerfolg soll also auch für behinderte Kinder gelten. Das ist doch nichts anderes, als würden wir gehbehinderte Schüler mit gesunden Schülern um die Aufnahme in einer Schule um die Wette laufen lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Passus stellt für uns eine klare Diskriminierung behinderter Schüler dar. Er widerspricht dem Recht auf Integration – und er widerspricht auch den Intentionen einer sozialen Einbindung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.