Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 39

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Wie sinnwidrig dieses Wiederholen von Klassen ist, geht auch aus einem neuen Paragraphen im Schulunterrichtsgesetz hervor – ich zitiere –:

"Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand die Note Nichtgenügend enthält und in diesem Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit Befriedigend beurteilt wurde."

Also trotz Wiederholens einer Klasse erwartet man sich nicht grundsätzlich eine Verbesserung der allgemeinen Leistungen, sondern es wird sozusagen von vornherein einkalkuliert, daß es in einem ehemals positiven Bereich trotz Wiederholens der Klasse eine negative Beurteilung gegeben kann. Im Entwurf der Ministerin stand statt des "Befriedigend" zumindest noch ein "Genügend". Die Frau Minister ist mir im Ausschuß die Antwort schuldig geblieben, wie aus diesem "Genügend" als Voraussetzung ein "Befriedigend" werden konnte. – Ich kann dabei allerdings sehr deutlich die Handschrift der Gewerkschafter erkennen.

Ein weiteres Beispiel, das die Sinnlosigkeit dieses Wiederholens so deutlich macht: Es gibt einen neuen Passus in diesem Gesetz, den wir grundsätzlich sehr begrüßen und den wir wirklich für überaus wichtig halten, da wir es ja mit einer Internationalisierung ernst meinen. Es ist nämlich vorgesehen, daß Schüler jedenfalls dann, wenn sie einen Schulbesuch von fünf Monaten im Ausland nachweisen können – unabhängig vom dort unterrichteten Lehrfächerkatalog, unabhängig von irgendeiner Leistungsbeurteilung – , in die nächsthöhere Klasse aufsteigen dürfen. Und da kann sich jetzt natürlich ohne weiteres folgendes zutragen:

7. Klasse AHS: Ein Schüler erhält in Geographie ein Nichtgenügend und muß aus diesem Grunde die Klasse wiederholen. Ein anderer Schüler, der im Ausland seine Schulzeit verbringt, hat gar nicht diesen Unterrichtsgegenstand Geographie, und er wird jedenfalls in die nächsthöhere Klasse aufsteigen.

Ich nenne dieses Beispiel nur deshalb, weil es deutlich macht, wie sinnlos, wie stur an überkommenen Bestimmungen festgehalten wird, wenn es um das Wiederholen von Klassen geht. Und daß natürlich für Eltern, die es sich leisten können, die Möglichkeit besteht, wenn so um die Weihnachtszeit eine Katastrophe droht, die Kinder noch schnell ins Ausland zu schicken, um ein Aufsteigen jedenfalls sicherzustellen, das sei hier nur nebenbei bemerkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab von seiten der Ministerin zahlreiche Ankündigungen, das Aufsteigen auch mit negativen Noten zu ermöglichen. – Außer Ankündigungen ist leider nichts übriggeblieben, wenn wir von diesem Frühwarnsystem absehen. Aber von diesem Frühwarnsystem wird ohne konkrete Begleitmaßnahmen – wie etwa eine differenzierte Förderung in der Schule – leider nichts übrigbleiben, als daß der vielgerühmte oder berüchtigte "blaue Brief" eben um einiges früher kommt.

Da wir alle wissen, daß das Aufsteigen oder Sitzenbleiben in einzelnen Gegenständen häufig von subjektiven Beurteilungen durch Lehrer abhängt, daß das häufig auch aus schulorganisatorischen Gründen geschieht, sind wir wirklich mit der Bundesministerin einer Meinung. Sie hat erst kürzlich in einem Interview für die Tageszeitung "Die Presse" gesagt – ich zitiere –:

Mir geht es im Prinzip nur darum, daß man nicht aufgrund eines zeitlich begrenzten Versagens – es gibt manchmal Probleme, wie die Scheidung der Eltern, oder es geht einem mies, oder aufgrund der Pubertät – ein ganzes Jahr verliert. Welchen Sinn macht es, wenn man 14 Fächer hat, in 13 Fächern positiv abschneidet, in einem Fach negativ und alle anderen Fächer auch wieder machen muß?

Das war die Ausgangsbasis der Diskussion. Dazu kam, daß sich viele beklagt haben, daß die Lehrerkonferenz nicht das bringt, was man meint, und daß oft nach der Klassenschülerzahl, nach der Teilungszahl im nächsten Jahr entschieden wird. – Zitatende.

Frau Ministerin! Wir teilen Ihre Meinung. Es ist schade, daß Sie sich hier nicht durchsetzen konnten. Durchgesetzt haben sich die Gewerkschafter als Bildungspolitiker.


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